Das käufliche Deutschland

Der Touristenladen „Good old Germany“ verkauft Markenprodukte, die wenig mit Souvenirs, aber viel mit deutscher Wertarbeit zu tun haben: Puppen, Uhren und das „Mensch ärgere dich nicht“-Spiel. Das Zwischennutzungsprojekt war für einen Sommer geplant, jetzt sucht man neue Geschäftsräume

Die Japaner stehen eher auf Keramik und Porzellan, während die Amerikaner zu edlem Schreibwerkzeug tendieren

VON TORSTEN GELLNER

Es gibt hier keine Plüschnerz-Bären mit Herz und Krone, keine Ampelmännchenfeuerzeuge und keine Postkarten, die „Berlin by Night“ zeigen. Davon hat Berlin schließlich genug, findet Sascha Suden. „Es gibt ja so viele schäbige Souvenirartikel“, klagt der 40-Jährige, „dabei kann man Deutschland doch viel schöner repräsentieren.“ Und schön ist das schon, was Suden mit seinem Kollegen Niels Humpert als Alternative zu den konfektionierten Mitbringsel-Buden auf die Beine gestellt hat: Good old Germany – ein Andenkenladen der edleren Art.

Seit Anfang Juni präsentiert der Shop im Beisheim Center am Potsdamer Platz einer etwas erleseneren Kundschaft das gute, alte und mitunter nicht ganz billige Deutschland. Puppen von Käthe Kruse, Armbanduhren von Nomos Glashütte, Porzellan aus Nymphenburg, Schokolade von Most. In einer Mischung aus Ehrfurcht (Nymphenburger Mokkatässchen für 205 Euro) und Wiedersehensfreude („Mensch ärgere dich nicht“) wandeln die Kunden durch die 360 Quadratmeter großen Räumlichkeiten.

Viele kommen nur zum Kucken. Dennoch scheint sich diese Art Manufactum für Touristen zu rechnen: Was als Zwischennutzungsprojekt bis Ende August geplant war, geht nun in die Verlängerung. „Bis Ende September, vielleicht auch Oktober bleiben wir noch hier im Beisheim Center“, erklärt Suden. Danach soll Good old Germany eine feste Institution werden. „Wir suchen nach einem geeigneten Standort, irgendwo zwischen DomAquaree und Nikolaiviertel.“

Suden ist selbst vom Erfolg überrascht. Stolz berichtet er von einer weißen Federlampe, die für 1.800 Euro einen neuen Besitzer gefunden hat. Das teuerste Objekt der Sammlung ist eine prunkvolle Keramikbadewanne aus dem Jahr 1880. Eigentlich war der Edel-Zuber für 8.500 Euro nur als repräsentativer Blickfang gedacht. Bis sich dann eine Kundin aus dem US-Bundesstaat Nevada auf ihrem vierwöchigen Europatrip in das schwere Stück verliebte. „Wir klären gerade die Transportkosten“, erzählt Suden.

Auf grauen Podesten sind die Waren sorgfältig und kunstvoll platziert. Schwarze Äste und Bäumchen ragen vereinzelt in die Höhe, was laut Suden nicht die deutsche Depression, sondern den „Black Forrest“ darstellen soll. Zu jeder Produktgruppe gibt es rote, in Holz gerahmte Tafeln, welche in ausgesuchten Worten die Produktphilosophie verkünden. Die museale Anmutung ist beabsichtigt. „Wir wollten die Waren so präsentieren, dass auch ein unscheinbares Produkt hochwertig aussieht“, sagt Suden. So gewinnt selbst ein profanes und günstiges Alltagsprodukt wie Kernseife einen gewissen ästhetischen Wert.

40 Hersteller, alles inhabergeführte, deutsche Unternehmen, sind im Good old Germany vertreten, handverlesen von Humpert und Suden selbst. „Die Auswahl ist ganz subjektiv“, gibt Suden zu. „Wir wollten schönes Design, originelle Produkte, klassische Firmen, die es geschafft haben, in die Moderne zu kommen. Letztlich sind das alles Dinge, die uns gefallen.“ Bekannt geworden sind die Inhaber mit ihrem exklusiven Blumenladen „Humpert & Suden“, der nur wenige Meter um die Ecke im Ritz Carlton Hotel zu finden ist.

Good old Germany will aber mehr sein als ein anspruchsvoller Souvenir-Shop. Der Laden versteht sich auch als Bühne für junges Design. Es gibt die schrillen Nippes von Kühn Keramik, die laut Suden besonders gut gehende Mode der Kanzlerschneiderin Anna von Griesheim und leuchtend rote Filzpantoffeln von Hut up. Überhaupt der Filz. Vor allem die Berliner Designer scheinen das weiche Gewebe arg lieb zu haben. Filz für den Kopf, Filz für die Füße, Filz für die Hände, Filz für die Eier. Vom Eierwärmer bis zur Laptoptasche – hier stehen Filzprodukte in allen Farben. Die Accessoires und Klamotten von Hut up (aus Mitte) sind alle „in einem Stück handgefilzt“, die umschlagähnlichen Notebooktaschen von red maloo (aus Prenzlauer Berg) präsentieren sich im orangefarbenen oder grauen Wollfilz. Und die Designer von parkhaus (dito) umfilzen alles vom Federmäppchen bis zum Fotoalbum.

Hübsch, jedoch nicht aus Filz, sind die Kissen von s.wert design. „Zornige Kinder“ heißt die Kollektion von „Kissen mit aus dem Stadtbild verschwindenden (verschwundenen) Fassaden der Berliner Nachkriegsmoderne“. Wer mag, kann dann mit dem Centrum Warenhaus, dem Haus der Statistik oder dem Steglitzer Bierpinsel kuscheln.

Unter den Kunden halten sich laut Suden Touristen und Einheimische die Waage. Suden weiß, was seine internationale Klientel bevorzugt. Die Japaner stehen eher auf Keramik und Porzellan, während die Amerikaner, wenn nicht gleich zur Badewanne, dann zu edlem Schreibwerkzeug tendieren. Und Menschen mit kleinerem Portmonee greifen gerne zu den erschwinglichen Tiegeln aus dem Kreuzberger Senf Salon oder eben zur Seife.

Inzwischen gebe es sogar Anfragen aus New York und München, wo man die Idee hinter Good old Germany übernehmen wolle, berichtet Sascha Suden. „Man kann das Konzept ja an jeden beliebigen Standort anpassen.“ New Yorker und Münchner können sich aber schon jetzt an Filzpantoffeln und Federleuchten verlustieren. In diesen Tagen eröffnet Good Old Germany seine Filiale im Internet.