„Zwischen uns und der CDU haben sich Gräben aufgetan“

STUTTGART 21 Im Streit über das Projekt fordert der Grüne Werner Wölfle von der Bahn Transparenz

■ 57, bekämpfte Stuttgart 21 von Beginn an. Er ist Vorsitzender der Grünen im Stuttgarter Gemeinderat und sitzt im baden-württembergischen Landtag.

taz: Herr Wölfle, Heiner Geißler hat als Vermittler einen Baustopp erreicht. Ist das die große Kehrtwende von Mappus?

Werner Wölfle: Das ist erst der Anfang. Es war klar, wenn Herr Geißler das nicht hinbekommt, wird es keinen Dialog geben. Man fragt sich, warum das nicht schon früher möglich war. Die furchtbaren Vorkommnisse bei der gewalttätigen Parkräumung wären nicht nötig gewesen.

Was muss jetzt passieren?

Die Wirtschaftlichkeitsberechnung des gesamten Projekts ist bisher ein reines Internum der Bahn. Auch die geologischen Gutachten über den Stuttgarter Untergrund sind nicht öffentlich zugänglich. Der Nachweis, dass der neue Bahnhof mit acht Gleisen wirklich den Verkehr aufnehmen kann, ist auch nicht geführt. Auch die Unterlagen zur Sicherheit in den geplanten Tunnels und die Ausschreibungen der Bahn sind geheim. Wenn hier endlich alles öffentlich wäre und wir eine sachliche Diskussion haben würden, wäre das ein erster Schritt.

Sie wollen in alle Unterlagen der Bahn schauen?

Es geht nicht darum, dass jemand von uns da reinschaut. Aber die Bahn wäre gut beraten, endlich transparent zu arbeiten. Sie muss doch ein Interesse daran haben, unsere Vorwürfe auszuräumen, falls sie es kann.

Die Unterlagen über die Planfeststellungen sind doch seit Jahren öffentlich einzusehen, man konnte widersprechen.

Da steht vieles nicht drin, etwa die Kosten. Wir wissen außerdem, dass die Bahn von vielem Abstand nimmt, zum Beispiel von der angeblich hohen Kapazität des neuen Bahnhofs.

Woher kommen die Bedenken der Projektgegner, wenn sie in die Planungen keine Einsicht hatten?

Die Gutachter, die nicht von den Bahn beauftragt wurden, äußern große Bedenken. Bisher sagt die Bahn dazu nur: Falsch, nicht ernst zu nehmen, Blödsinn. Wenn man an einer Aufklärung interessiert ist, dann beschäftigt man sich mit der anderen Seite.

Würden Sie sich sachlich überzeugen lassen und dann sagen: Nun baut eben?

Wir sind nicht die Verhandlungsführer. Der Widerstand gegen Stuttgart 21 ist breit. Ich wünsche mir von Herrn Geißler zu sagen: Jetzt liegen die Fakten auf dem Tisch, nun kann der Bürger darüber entscheiden.

Würde auch eine Landtagswahl als Abstimmung bei Ihnen durchgehen?

Landtagswahlen sind keine singuläre Entscheidung, sondern eine komplexe Angelegenheit für die Wähler. Es sollte eine zusätzliche Volksbefragung geben.

Wenn das Volk für Stuttgart 21 ist, haben Sie am Ende doch nichts erreicht.

Doch, dann haben wir erreicht, dass hinter einer milliardenschweren Investition auch die Bürger stehen. Selbstverständlich würden wir uns dem Votum beugen. Wir Grünen können allerdings nicht für den Protest sprechen. Wir sind nur ein kleiner Teil eines breites Bündnisses.

Stimmen Sie Ihrem Fraktionsvorsitzenden Kretschmann zu: Nach der Landtagswahl im März kann man nichts mehr rückgängig machen, sollten die Bauarbeiten weitergehen?

Herr Geißler will eine Friedenspflicht, dem stimme ich zu. Man kann nicht um das Haus verhandeln, in dem man wohnt. Dem Wähler versprechen wir: Wir tun, was möglich ist, um Stuttgart 21 zu verhindern. In der Hand haben wir es allerdings nicht.

Nach einem Volksentscheid könnten Sie dann beruhigt mit Herrn Mappus eine Koalition eingehen?

Nicht nur wegen Stuttgart 21 auf keinen Fall. Auch wegen vieler anderer Entscheidungen. Nehmen Sie nur den Atombeschluss. Zwischen uns und der CDU haben sich Gräben aufgetan, die ein Bündnis unmöglich machen.

INTERVIEW: INGO ARZT