„Prestige kommt gleich nach Gold“

AUSWIRKUNG Härtere Sanktionen würden den Konflikt zementieren und zur Eskalation führen, sagt der Friedensforscher Wolfgang Zellner. Die jetzigen Maßnahmen seien zwar nur symbolisch, aber wirksam

■ Der 60-Jährige ist stellvertretender Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg.

taz: Herr Zellner, die Staatschefs beim EU-Gipfel haben weitere Maßnahmen gegen Moskau beschlossen. Sind Sanktionen der richtige Weg zu Sicherheit und Frieden?

Wolfgang Zellner: Politische Sanktionen sind Hinweise an die andere Seite, das etwas sehr unerwünscht ist. Sie sind jetzt so zugeschnitten, dass sie symbolisch sind und die Wirtschaft nicht betreffen. Es bringt nicht unmittelbar Sicherheit, aber es ist der Hinweis: Hört mal, Leute, uns gefällt nicht, was ihr macht, und wenn ihr so weitermacht, dann können wir noch mehr.

Schaden Putin die jetzigen Sanktionen gar nicht?

Sie werden von Russland locker weggesteckt. Es ist sogar eher etwas, das die Führung zusammenschweißt – auch mit weiten Teilen der Bevölkerung. Die Eingliederung der Krim gegen das Völkerrecht ist in Russland absolut populär.

Muss die EU stärkere Maßnahmen ergreifen?

Ich hoffe nicht, dass es dazu kommen wird. Mit echten wirtschaftlichen Sanktionen gehen wir ja selbst ein Risiko ein. Das Land ist für unsere Industrie ein wichtiger Exportmarkt. Mit Sanktionen zementiert man die Konfrontation. Sie drehen damit die Eskalationsspirale nach oben, und es ist nicht so leicht, da wieder herauszukommen.

Also reichen die jetzigen, schwächeren Sanktionen aus?

Im Moment, ja. Denn durch die symbolischen Sanktionen hat Russland an Ansehen verloren. Das sind moralische Kosten. Die werden nur oft unterschätzt, weil das Denken militarisiert und ökonomisch ausgelegt ist. Aber unter den internationalen Gütern kommt Prestige gleich nach Gold. Ohne Ansehen kannst du gar nichts machen. Schauen Sie sich die Schweiz an, die können jeden anrufen, Obama, Putin – und die heben dann auch ab.

JULIA NEUMANN