Konkurrenzkampf in der Suppenküche

Ehrenamtliche fürchten um ihre Zukunft. Immer häufiger machen Ein-Euro-Jobber ihnen die Posten streitig. Denn während ein Verein für einen freiwillig Beschäftigten Geld zahlen muss, erhält er für 1-Euro-Jobber Zuschüsse

BERLIN taz ■ Sie pflanzen Kirschbäume um, sie arbeiten im Kulturverein, sie pflegen Kleintiere: die 1-Euro-Jobber. Das Gleiche tun aber auch andere: die Ehrenamtlichen. Durch die 1-Euro-Jobber haben sie ungewollt Konkurrenz bekommen. Konkurrenz, die für die Arbeitgeber häufig günstiger und sogar gewinnbringend ist.

Schon sieht Ansgar Klein, Vorsitzender des Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE), „die Freiwilligkeit aus den Kultureinrichtungen schwinden“. Denn 1-Euro-Jobber dürfen auf dem Arbeitsmarkt nur in eine Nische: Jobs, die nicht mit der sozialversicherungspflichtigen Arbeit konkurrieren können. Diese Nische ist aber oft schon durch Ehrenamtliche besetzt.

In einem Kulturverein in Berlin zum Beispiel versuchte der Geschäftsführer aus den Schulden herauszukommen: er stellte 1-Euro-Jobber ein – und entließ nach und nach die Ehrenamtlichen. Denn während sie für die Ehrenamtlichen Ausgaben haben, bekommen sie für die 1-Euro-Jobber Zuschüsse.

Die sogenannten Aufwandsentschädigungen an ihre Ehrenamtlichen müssen die Vereine, die diese beschäftigen, aus eigenen Mitteln finanzieren. Das können bis zu 1.860 Euro jährlich sein – das entspricht etwa 155 Euro pro Monat. Die Beschäftigung von 1-Euro-Jobbern ist dagegen subventioniert: Bis zu 300 Euro im Monat zahlen die Kommunen für die Beschäftigung eines 1-Euro-Jobbers an dessen Arbeitgeber. Der Regeldurchschnitt liegt bei 100 bis 250 Euro, die monatlich pro 1-Euro-Stelle in die Kassen der Vereine fließen, schätzt Harald Thome vom Verein Tacheles, der sich für die Rechte sozial Benachteiligter und Arbeitsloser einsetzt. Jährlich bekommen die Vereine also bis zu 3.600 Euro zusätzlich pro 1-Euro-Jobber.

„Meldet euch doch beim Arbeitsamt“, schlug der Geschäftsführer des Berliner Kulturvereins seinen ehrenamtlichen Mitarbeitern vor, „dann könnt ihr wiederkommen“.

BBE-Vorsitzender Klein sieht die Entscheidungen solcher Vereine als Bedrohung für die Philosophie der Freiwilligkeit an. Eine Umfrage des BBE ergab, dass vor allem niedrig qualifizierte Ehrenamtliche durch 1-Euro-Jobber verdrängt werden. Aber schon mehrt sich die Zahl der ehrenamtlichen Hochqualifizierten, die durch arbeitslose Akademiker ersetzt werden.

„Diese Vereine handeln rechtswidrig“, erklärt Thome. Denn für 1-Euro-Jobber müssen die Stellen zusätzlich geschaffen werden. Sie dürfen also keine Arbeit übernehmen, die es vorher schon gab. Ob die Stelle vorher ehrenamtlich oder hauptamtlich besetzt war, spielt dabei nach Angaben von Thome keine Rolle: „1-Euro-Jobber an Stelle von Ehrenamtlichen einzustellen ist ganz klar illegal.“

Thome vermutet, dass viele Vereine bewusst 1-Euro-Jobber einstellen und Ehrenamtliche entlassen, um die Vereinskasse aufzustocken. Dabei, meint er, schaden sie sich längerfristig aber selbst. „Im Rahmen der 1-Euro-Subventionen werden die öffentlichen Subventionen zurückgeschraubt“, sagt er. Dadurch würden den Vereinen an anderer Stelle nach und nach die Mittel gekürzt. Damit schaden diese Vereine auch denen, die noch mit Ehrenamtlichen arbeiten.

Das BBE fürchtet, dass der Umfang des freiwilligen Engagements bald zurückgehen könnte. Gerade will es mit einer „Woche des bürgerschaftlichen Engagements“ auf sein Anliegen hinweisen. Denn in der öffentlichen Debatte werde, so Klein, zwar der „gute Bürger“ geschätzt, der unentgeltlich dem Staat unter die Arme greift. De facto aber würden die Strukturen dieses Engagements zu wenig gefördert. Klein fordert, dass die Konkurrenz zwischen 1-Euro-Jobbern und Ehrenamtlichen endlich öffentlich diskutiert wird.

SOPHIE HAARHAUS