Gegenregierung in Mexiko proklamiert

Anhängerschaft des unterlegenen linken Kandidaten López Obrador erkennt die Regierung nicht an und fordert ihn zur Bildung eines Schattenkabinetts auf. Hunderttausende Parteigänger versammeln sich in Mexiko-Stadt

MEXIKO-STADT ■ taz Mexikos rechtmäßiger Präsident heißt Andrés Manuel López Obrador. Zumindest nach Meinung von etwa 750.000 Anhängern des Linkspolitikers, die am Samstag im Zentrum der mexikanischen Hauptstadt an einem „Nationalen Demokratischen Konvent“ teilgenommen haben. Sie waren aus der gesamten Republik angereist, um per Handzeichen auf dem zentralen Zócalo-Platz dem Präsidentschaftskandidaten der Partei der Demokratischen Revolution (PRD) ihrer Unterstützung zu versichern und ihn zur Bildung einer Gegenregierung aufzufordern. López Obrador war bei Wahlen am 2. Juli dem Konservativen Felipe Calderón von der „Partei der Nationalen Aktion“ (PAN) knapp unterlegen, sah sich jedoch durch Wahlbetrug um den Sieg gebracht und hatte deswegen vor Gericht geklagt. Anfang September hatte das oberste Wahlgericht diesen Vorwurf zurückgewiesen.

Am Samstag hatten sich im Zentrum von Mexiko-Stadt die Anhänger von López Obrador versammelt, um die Politiker und Analysten zu hören, die auf einer Bühne über die Themen des Konvents diskutierten: den Kampf gegen Armut, Korruption und die Privatisierung staatlicher Betriebe sowie über die Frage, wie die Bewegung künftig ihren Widerstand weiterführen soll. Der Versammlung waren auf beiden Seiten deeskalierende Maßnahmen vorausgegangen.

Der amtierende Präsident Vicente Fox (PAN) hatte darauf verzichtet, am Freitag auf dem Zócalo den traditionellen Unabhängigkeitsruf zum Nationalfeiertag durchzuführen und die Zeremonie stattdessen nach Dolores Hidalgo verlegt, einer Stadt, in der 1810 der Aufstand begann, der zur Unabhängigkeit Mexikos führte. López Obrador hatte zuvor angekündet, er wolle anstelle von Fox den Ruf auf dem von seinen Anhängern besetzten Platz durchführen. Letztendlich war es der PRD-Bürgermeister Alejandro Enzinas, der das traditionelle „Viva México“ ausrief. Nach 46 Tagen brachen die Anhänger von López Obrador Ende letzter Woche ihre Zelte auf dem Zócalo und der Prachtstraße Reforma ab, um am Unabhängigkeitstag einer Militärparade Platz zu machen.

Die regierende konservative PAN kritisierte die Ankündigung einer Parallelregierung als illegal. PAN-Generalsekretär José Espina rief López Obrador zum „Respekt vor den Institutionen“ auf. Doch auch innerhalb seiner eigenen Partei stößt er auf Kritik. Parteigründer Cuauhtémoc Cardenas wirft ihm vor, er sei intolerant und verteufele alle, die ihn nicht unterstützten. Cardenas scheiterte 1988 als Präsidentschaftskandidat aufgrund eines Wahlbetrugs der damaligen Staatspartei PRI. Nun kritisiert er, dass sich López Obrador mit jenen ehemaligen PRI-Politikern umgeben habe, die ihn damals um den Sieg gebracht hätten. Cardenas, der lange Zeit die Hauptfigur der Partei darstellte, bezeichnete die Parallelregierung als einen „eklatanten Fehler, der hohe Kosten für die demokratische Bewegung und die PRD mit sich bringen wird“.

Am 20. November, dem Jahrestag der Revolution von 1910, soll López Obrador sein „Amt“ antreten – zehn Tage vor dem offiziellen Wahlsieger Felipe Calderón. WOLF-DIETER VOGEL