Öffnung in Taipeh

In Taiwans Hauptstadt bemüht sich die in der Wendezeit gegründete Organisation OUR’s, öffentliche Freiräume für die Bewohner zu erhalten

VON YI-CHUN HWANG

In einer globalisierten Welt ist es vielleicht nicht allzu überraschend, dass zwei so ferne Metropolen wie Taipeh und Berlin mehr als einiges gemeinsam haben. Taipeh, während des Kalten Krieges durch einen Ausnahmezustand gekennzeichnet, hat wie Berlin 1989 eine Wende erlebt. In den seither vergangenen 17 Jahren haben tief greifende Veränderungen die Landschaft beider Städte geprägt, was insbesondere die in großer Anzahl freigewordenen Stadträume betrifft. Selbst die Organisationen, die in dieser Zeit entstanden sind, haben ähnliche Ansätze: das Stadtleben „bottom-up“ zu gestalten. Die Plattform der experimentdays möchte die Taipeher Organisation OUR’s nutzen, um ihre Erfahrungen mit anderen Berliner Projekten auszutauschen.

OUR’s bedeutet „Organization of Urban Re-s“ und wurde in der Wendezeit nach einem riesigen Protestmarsch mit rund 50.000 Teilnehmern gegen hohe Mieten und Grundstücksspekulation gegründet. Bis heute ist OUR’s ein unermüdlicher Anwalt für einen angemessenen Umgang mit öffentlichen Räumen, indem die Organisation Aufklärung betreibt und Aktionen zur Meinungsbildung für das – immer noch überwiegend schweigende – Formosa-Volk veranstaltet.

Seine zentrale Aufgabe sieht OUR’s darin, Fachleute aus verschiedenen Bereichen mit Bürgern zusammenzubringen, um soziale und räumliche Fragen demokratisch und nachhaltig zu lösen. Partizipation, Kommunikation, Bildung und Austausch stehen im Vordergrund als wesentliche Werkzeuge nötiger gesellschaftlichen Reformen.

OUR’s überwacht, zusammen mit verschiedenen taiwanesischen NGOs, die Umnutzung und Verpachtung sowie den Verkauf frei gewordener öffentlicher Grundstücke im gesamten Inselstaat. Wobei die historische, kulturelle und ökologische Bedeutung öffentlicher Räume für die Bürger nach Ansicht der AktivistInnen weit über den bloßen Immobilienwert hinausgehen.

So setzt sich die Organisation in einem Projekt für den Erhalt des ehemaligen Yangmingshan-US-Militär-Quartiers ein – einer insgesamt circa zwölf Hektar großen öffentlichen Fläche. OUR’s will die geplante dichte Bebauung des Geländes verhindern, das am Rande eines Naturschutzgebietes liegt. Im Mittelpunkt stehen dabei nicht nur die vielfältige Flora und Fauna des Areals, sondern es soll auch der militärische Baukomplex – als Vermächtnis der Kalten Krieges – wieder für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Die Initiative „Treasure Hill Artivists CO-OP“ hingegen stellt die geschichtlichen Umwandlungen eines privilegierten Ortes für den Tempelbau in den letzten 100 Jahren dar. In den späten 40er-Jahren etablierte sich hier, zwischen Autobahn, einem buddhistischen Tempel und dem Fluss an der Stadtgrenze eine selbst organisierte Siedlung, die ohne Genehmigung errichtet wurde. Die sich bislang autark entwickelten sozialen Netzwerke der Anwohner kollidierten bis in die 90er-Jahre hinein mit den Interessen der Stadtverwaltung – häufig kam es dabei zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Mit Ausstellungen, Festivals oder Tagungen und dank der Unterstützung des Kulturamtes sowie mehrerer Fördervereine machte OUR’s auf das Thema aufmerksam.

Seit 1998 haben zahlreiche internationale Akteure die Symbiose von Geschichte und Gegenwart, Privatheit und Öffentlichkeit, Wohnen und Kultur, Identität des Einzelnen und Autorität der Staatsgewalt, die in der Siedlung zu erleben ist, thematisiert. Auch id22, das Institut für kreative Nachhaltigkeit, beteiligt sich seit 2003 an der Diskussion und Entwicklung von Treasure Hill. Beide Projekte werden auf der diesjährigen Projektbörse im Rahmen der experimentdays ’06 präsentiert.

Die Autorin ist Landschaftsplanerin und Mitglied von id22: Institut für kreative Nachhaltigkeit