Ist Stuttgart noch zu retten?

BAHNHOFSNEUBAU SPD und Grüne verlangen sofortigen Baustopp und Volksabstimmung über „Stuttgart 21“. Aktivisten sammeln Unterschriften für Auflösung des Landtags. Geißler als Vermittler im Gespräch

STUTTGART dpa/afp/taz | Im Streit über das Bauprojekt Stuttgart 21 geraten die Bahn und die schwarz-gelbe Landesregierung in Baden-Württemberg weiter unter Druck. SPD-Chef Sigmar Gabriel verlangte am Montag einen sofortigen Baustopp und bekräftigte die Forderung seiner Partei, zu dem Thema eine Volksabstimmung durchzuführen.

„Die Politik muss erkennen und akzeptieren, dass das Projekt von der Bevölkerung infrage gestellt wird“, sagte Gabriel. Auch der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir erklärte, er stehe dem Vorschlag einer Volksabstimmung positiv gegenüber: „Ein ‚Weiter so‘ ist die schlechteste aller Lösungen“, sagte Özdemir.

In Stuttgart kündigten Gegner des Bahnprojekts an, ein Volksbegehren zur vorzeitigen Auflösung des Landtags zu beantragen. Nach den Vorfällen bei der gewaltsamen Räumung des Schlossgartens durch die Polizei am Donnerstag habe die CDU-FDP-Landesregierung gezeigt, dass sie nicht das eigene Volk vertrete, sagte der Sprecher der Initiative „Parkschützer“, Matthias von Hermann. Deshalb sollte am Abend bei der Montagsdemonstration mit einer Unterschriftensammlung begonnen werden. Der baden-württembergische Landtag wird planmäßig am 27. März 2011 gewählt.

Angesichts der verfahrenen Situation regten Politiker von FDP und Grünen an, einen unabhängigen Schlichter einzusetzen. Die Grünen brachten dafür den CDU-Politiker Heiner Geißler ins Gespräch. FDP-Chef Guido Westerwelle schlug den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Joachim Gauck als Moderator vor, der jedoch bereits absagte.

Baden-württembergische Landespolitiker von CDU und FDP hatten zuvor noch einmal bekräftigt, an dem Bauvorhaben festzuhalten, und die Gegner scharf angegriffen. Justizminister Ulrich Goll (FDP) warf Demonstranten vor, aus Egoismus zu handeln. Es gehe ihnen nicht um die Kosten, sondern um die Belästigungen durch Bauarbeiten, sagte Goll der Financial Times Deutschland. „Die Menschen sind in zunehmender Zahl sehr unduldsam und wohlstandsverwöhnt.“ Innenminister Heribert Rech (CDU) behauptete, die Demonstranten würden aus grundsätzlicher Antipathie gegen den Staat handeln. Es gehe ihnen längst nicht mehr um dieses Bahnprojekt, sondern darum, demokratische Entscheidungen einfach zu ignorieren.

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