Übertragbare Krebszellen bei Hunden

Allgemein gilt, Krebs ist nicht ansteckend. Tierärzte konnten jetzt zeigen, dass für einen bei Hunden vorkommenden Krebs diese Regel nicht gilt

Mit Krebs kann man sich nicht anstecken. Eine britische Studie beweist jetzt, dass diese medizinische Binsenweisheit nicht immer zutrifft, zumindest nicht für Hunde. Schon über längere Zeit vermuteten Tierärzte, dass diese Vierbeiner sich mit einer ihre Geschlechtsteile verunstaltenden Krebsart, dem sogenannten Sticker-Sarkom, bei der Paarung oder beim Belecken gegenseitig anstecken. Eine Studie des University College, London, brachte nun Gewissheit.

Eigentlich wollte das Team unter Führung von Robin Weiss die Ansteckungsthese widerlegen. Es wählte deshalb die 40 untersuchten, am Sticker-Sarkom erkrankten Tiere auf fünf verschiedenen Kontinenten aus. Doch als sie den genetischen Code der Krebszellen näher betrachteten, erlebten die Forscher ihr blaues Wunder: die Zellen waren nicht mit dem Gewebe der befallenen Tiere verwandt, dafür aber alle untereinander. Die Wissenschaftler vermuten aufgrund von Ähnlichkeiten des Erbguts einen Wolf oder Angehörigen einer uralten ostasiatischen Hunderasse als Stammvater der Tumorzellen. Sie alle stammten einst aus einer einzigen Kolonie, welche sich nun weltweit von Hund zu Hund verbreitet. Die Hundetumorzellen benehmen sich dabei genau wie Parasiten.

Einer ähnlichen Verbreitungsweise bedient sich höchstwahrscheinlich auch eine Krebsart, an der die Tasmanischen Teufel auszusterben drohen. Diese Beutelraubtiere waren früher über ganz Australien verbreitet, sind heute aber nur noch auf Tasmanien heimisch. Von ihrer Statur her ähneln sie den Dachsen, offiziell gehören sie zur Familie der Marder. Von diesen Tierarten unterscheiden sie sich aber durch ihre quadratischen Schnauzen, die das primäre Angriffsziel des Krebses bilden. Tasmanische Teufel haben von allen Raubtieren das kräftigste Gebiss, mit dem sie auch Knochen brechen. Ihren Namen verdanken sie ihrer rabenschwarzen Färbung, ihren spitzen Ohren, die sich bei Aufregung rot färben, und ihrer unbändigen Rauflust. Gerade die wird ihnen offenbar zum Verhängnis, weil sie sich gegenseitig Bisswunden zufügen.

Was uns Menschen betrifft, so sind zwar Fälle bekannt, in denen krebserzeugende Viren übertragen werden. Eine direkte Weitergabe von Krebszellen wird aber bislang ausgeschlossen. Doch die Krebserkrankungen der Hunde und Tasmanischen Teufel erinnern daran, dass die Natur sich immer neue Tricks ausdenkt, um die genetischen Codes gewisser Zellen zu verbreiten. In einem Sticker-Sarkom unterscheiden sich die Zellen morphologisch wesentlich von den Zellen in gesundem Hundegewebe. Das heißt, sie sind irgendwann einmal mutiert. Die Forschung verspricht sich von ihnen neue Aufschlüsse über die Reaktion gesunden Gewebes auf Krebszellen. Die Hauptfrage lautet: mit welchem Mechanismus unterlaufen diese Zellen die Immunbarriere eines neuen Gastkörpers? Warum werden sie nicht als fremdes Gewebe abgestoßen?

BARBARA KERNECK