Die Bosbach-Show

Aufstehen, gedenken, setzen: Die CDU-Prominenz gedenkt in Hennef des 11. Septembers. Überwachungskameras, das Wir-Gefühl – alles kommt vor. Und danach gibt es Champagnertrüffel

von SEBASTIAN WIESCHOWSKI

Bedrohungsszenario? Fehlanzeige. Zwei Polizisten trotten gelangweilt vor „Meys Fabrik“ in Hennef auf und ab. Gelegentliche Abtastversuche vor dem Eingang dienen nicht der Sicherheit. Man kichert dabei, denn man kennt sich. Elisabeth Winkelmeier-Becker ist da, die Bundestagsabgeordnete, auch sie kichert.

Stilles Gedenken am fünften Jahrestag der Terroranschläge von New York, das soll schon sein, aber ein kurzer Augenblick des Innehaltens muss vor der Diskussion reichen. Kurz aufstehen, gedenken, wieder setzen. Eine Besinnungs-Kniebeuge. Der 11. September ist doch irgendwie weit weg, genau so wie New York, Madrid oder London.

Wolfgang Bosbach kichert seltener. Gefahrenbewusster Blick, ernste Miene, akkurat gelegter Seitenscheitel. Hier spricht der Sicherheitsexperte, der Berufspolitiker. Irgendwo schlummert „WoBo“, der Freizeitjeck und Präsident der Großen Gladbacher Karnevalsgesellschaft, das zweite Ich des stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. An diesem Abend will Bosbach jedoch nicht mit Büttenreden glänzen, sondern mit seiner Expertise für die Bereiche Recht und Innere Sicherheit. Die Anschläge vom 11. September seien straff organisiert gewesen von Menschen, denen man nicht mit der Härte des Strafgesetzes begegnen könne. Sagt Bosbach und freut sich über die politische Kultur nach den Anschlägen vom 11. September: „Man muss nicht immer des Streitens wegen streiten.“

Klaus Pipke kichert nicht, er grinst zurückhaltend, lehnt sich in den Stuhl zurück und wippt. Der Hennefer Bürgermeister kommt nur selten zu Wort. Er erlebte den 11. September am Strand von Saint Tropez. „Ein Bürgermeister im Urlaub?“ wundert sich Wolfgang Bosbach. „Da war ich noch nicht Bürgermeister“, quietscht Pipke lachend zurück und erzählt, wie plötzlich überall am Strand die Mobiltelefone klingelten, bei Deutschen, Italienern und Franzosen. Pipke hat bodenständige Vorschläge, weitab von den bundespolitischen Diskussionen seines Sitznachbarn: ein „Wir- Gefühl“ müsse es schon auf lokaler Ebene geben, so Pipke. Integration fange im Verein oder in der Kneipe an.

Auch Winkelmeier-Becker, die Bundestagsabgeordnete und Richterin am Siegburger Sozialgericht, bekommt nur wenig Redezeit. Was man denn tun müsse, um die Situation zu verbessern? „Mehr in Bildung und Sicherheit investieren“, sagt Elisabeth Winkelmeier-Becker leise. „Bravo“, ruft jemand aus der Zuschauermenge, Applaus.

Wolfgang Bosbachs wirksamste Waffe sind Zahlen. Vom Überwachungsstaat sei man noch meilenweit entfernt, 300.000 Kameras seien bundesweit in privaten Einrichtungen installiert, lediglich 90 dagegen auf öffentlichen Plätzen. Bosbach weiß, wie er die Zuschauer zum Grummeln und Applaudieren bringt. Und wenn ein Fotoapparat auf ihn gerichtet ist, gestikuliert Bosbach auch mal. Die Bosbach-Show ist in vollem Gange. Links wippt Bürgermeister Pipke, in der Mitte macht Bosbach Bundespolitik, rechts sitzt Lisa und kichert.

Die Show läuft und läuft und läuft wie einst die Zentrifugen und Erntegeräte, die Josef Meys vor mehr als 120 Jahren genau dort produzierte, wo jetzt knapp einhundert Gäste sitzen. Nach ungefähr zwei Stunden zwischen Überwachungsstaat, Bedrohungsszenarien und dem Ende der Spaßgesellschaft werden hinter der Bühne schon mal die Präsente für den „hohen Gast“ bereit gelegt. Denn der „WoBo“ ist bekanntlich Weinkenner und mag Champagnertrüffel.