Jungmänner am Handy gefährden Prognosen

Der NPD-Wähler am Sonntag in Mecklenburg-Vorpommern wird eher jung und eher männlich sein. Aber erwischen ihn die Meinungsforscher überhaupt? Denn die befragen die Wahlbürger immer noch nur per Festnetzanschluss

HAMBURG taz ■ „Wir sagen, was wir denken. Du bist genauso? Dann entscheide dich für uns!“, schreibt die NPD in einem Flugblatt an die Erstwähler. Bewusst lässig wirbt die Partei in Mecklenburg-Vorpommern um die Jugendlichen. Mit der Schulhof-CD „Der Schrecken aller linken Spießer und Pauker“ verteilt sie das Flugblatt an Schulen und auf Volksfesten. Bis zum Sonntag will die NPD gezielt bei den rund 99.000 Jungwählern ankommen. Die U18-Wahl lässt sie hoffen: Am 8. September wählten in Rostock von 1.042 Schülern 13,4 Prozent die NPD.

Bei den Prognosen muss sich dieser Trend, dass vor allem Jugendliche die NPD wählen könnten, aber nicht ganz widerspiegeln. Der Grund: kein Festnetzanschluss. Bei den Stichprobenverfahren rufen die Meinungsforscher nur Personen mit Festnetzanschluss an. „Eine Abtastlücke“, wie Richard Hilmer, Geschäftsführer von Infratest dimap, und Reinhold Horstmann, Bereichsleiter bei TNS Emnid, einräumen. Rund 8,3 Prozent der deutschen Bevölkerung, sagt Hilmer, haben bloß Handys – Tendenz steigend.

Kein Problem für die Meinungsforscher, solange die Mobilfunkhaushalte sich statistisch wie Festnetzhaushalte verhalten. Doch die Handynutzer sind anders. „Vor allem junge Männer in den Großstädten sind nur über das Handy zu erreichen“, erklärt Hilmer – „damit bekommen wir eine leichte Verzerrung.“ Auch Horstmann erläutert, dass bei den Mobilfunkhaushalten die „demografischen Merkmale tatsächlich ein wenig“ von den Festnetzhaushalten abweichen.

Eine Verzerrung, die bei Umfragen zu rechten Parteien doppelt berücksichtigt werden muss. Denn das Merkmal der rechten Wähler ist nicht bloß „jung“, sondern auch „männlich“. „Gerade junge Männer wählen die NPD“, betont der Parteien- und Sozialforscher Richard Stöss. Der NPD-Wahlleiter in Mecklenburg-Vorpommern, Holger Apfel, hebt hervor, dass 21 Prozent der 18- bis 25-Jährigen in Sachsen sie wählten.

„Verzerrungen treten bei Umfragen immer ein“, sagt Stöss. Durch „Gewichtungen, basierend auf den Grunddaten der Bevölkerung, die wir kennen, wird diesen entgegengesteuert“, erläutert er. Aber dennoch bestehe eine mögliche „Fehlerquote von 3 bis 4 Prozent“. Diese Quote kann sich bei kleinen Parteien groß auswirken. Horstmann erklärt: „Vermutlich ist die Auswirkung kleiner als der ‚methodenbedingte‘ Fehler, den man bei der Stichprobe ohnehin einkalkulieren muss.“ Die Wähler rechter Parteien sind bei Umfragen grundsätzlich schwieriger zu erfassen. „Manche Befragten sagen nicht, dass sie rechts wählen“, weiß Stöss. Wahlabsicht und Sympathie klaffen auseinander. „In der Vergangenheit“, sagt Hilmar, „war es auch ein Problem.“ Inzwischen seien Instrumente gefunden worden, die es ermöglichen, „sehr verlässlich die Wahlchancen der Rechtsradikalen einzuschätzen“.

Die Prognosen zu Mecklenburg-Vorpommern seien insofern unproblematisch. Nach Infratest dimap liegt die NPD bei 6 Prozent, laut Emnid bei 7 Prozent. Keine Probleme wegen der Handynutzer? Noch nicht, meinen Hilmer und Horstmann. Langfristig, wenn der Trend weiter zum Handy läuft, sind die Meinungsforscher sicher, müsste die Telefonerhebung ergänzt werden. Schon jetzt forschen Arbeitsgruppen an einem Methodenmix. ANDREAS SPEIT