Der Einsatz für eine bessere Welt

AUS BERLIN SVEN HANSEN

Der Ökonom Shrikrishna Upadhya (65) aus Nepals Hauptstadt Kathmandu und die von ihm gegründete Entwicklungshilfeorganisation Sappros (Support Activities for Poor Producers of Nepal) erhalten in diesem Jahr den Alternativen Nobelpreis, „weil sie selbst im Angesicht der Bedrohung durch politische Gewalt und Instabilität der Welt zeigen, wie die Mobilisierung von Dorfgemeinschaften Armut überwinden kann“, so die offizielle Begründung der Right Livelihood Award Stiftung. Während Nepals Bürgerkrieg zwischen der königlichen Armee und den Maoisten (1996 bis 2006) sei Sappros oft die einzige unabhängige Organisation gewesen, die noch in umkämpften Gebieten gearbeitet habe.

Upadhyay arbeitete, wie es sich für ein Mitglied der in den USA ausgebildeten brahmanischen Elite des damaligen Himalajakönigreichs gehörte, zunächst im Staatsdienst in führender Position. Daneben engagierte er sich aber bereits in Nichtregierungsorganisationen. 1991 gründete er Sappros und gelangte zunehmend zu der Überzeugung, dass Entwicklung von oben nach unten nicht funktioniert, sondern sich der Entwicklungsprozess viel mehr an den Armen selbst orientieren und vor allem von diesen aktiv mitgestaltet werden müsse.

Upadhyay charakterisiert die Arbeit der Organisation Sappros so: „Die Armen werden als Subjekte und nicht als Objekte von Entwicklung gesehen, sie sind Teilhaber des Entwicklungsprozesses und verwalten die Ressourcen durch ihre eigenen Organisationen.“ Sappros berät Dorfgemeinschaften bei der Durchführung von Projekten in den Bereichen Bewässerung, Waldbewirtschaftung, erneuerbare Energien und Mikrokredite. „Sappros arbeitet dabei in den entlegensten und ärmsten Gebieten des Landes“, sagt Karl-Heinz Krämer, Nepal-Experte am Südasien-Institut der Universität Heidelberg, der taz. Im Westen und Nordwesten des Landes gebe es einen großen Versorgungsmangel, doch im Gegensatz zu Sappros würden viele Organisationen lieber in wohlhabenderen Gebieten arbeiten, so Krämer.

Upadhyay ist heute international ein anerkannter Experte der Armutsbekämpfung und wurde schon in Bangladesch und Afghanistan zu Rate gezogen. Sappros ist keine kleine Organisation mehr. Sie arbeitete bisher mit 235.000 Haushalten zusammen und bekommt jetzt Geld von der Weltbank. In Ne- pals gegenwärtiger politischer Situation – am Donnerstag scheiterte der neunte Anlauf zur Wahl eines Premierministers – ist Sappros ein Zeichen der Hoffnung.

AUS NAIROBI Marc Engelhardt

Es ist leicht, Nnimmo Bassey zu unterschätzen. Der dürre, hochgewachsene Brillenträger, der am liebsten die weiten, traditionellen Gewänder Nigerias trägt, spricht mit leiser Stimme. Der gelernte Architekt verbringt viel Zeit in einer der evangelikalen Kirchen, die in Afrika so oft das untätige Warten auf das Himmelreich predigen. Und er schreibt Gedichte, die er im Kreis von Freunden gerne vorträgt. Kein Mann also, mag man denken, den ein autoritärer Staat oder ein globaler Konzern zu fürchten hat. Dass der Schein trügt, beweist nicht zuletzt die Tatsache, dass der 52-Jährige in diesem Jahr mit dem alternativen Nobelpreis geehrt wird.

Tatsächlich ist Bassey ein Kämpfer, der seinem einstigen Mitstreiter Ken Saro-Wiwa in punkto Entschlossenheit nicht nachsteht. Wie Saro-Wiwa, so kämpft auch Bassey seit Jahrzehnten gegen die Ölförderung im Niger-Delta, die die Lebensgrundlage der dortigen Bevölkerung nahezu vollends zerstört hat. Als das brutale Regime von Präsident Sani Abacha Ken Saro-Wiwa und acht seiner Mitstreiter hinrichten ließ, ging Bassey in den Untergrund. Geheimdienstler nahmen ihn fest. „Im Gefängnis habe ich gelernt, dass Menschen zusammenhalten, wenn man sie ihrer Grundrechte beraubt“, sagt Bassey heute.

Vielleicht auch deshalb streitet die von ihm 1993 mitgegründete Umweltschutzorganisation „Friends of the Earth Nigeria“ stets an der Seite von Betroffenen, von Müttern, Bauern und Fischern, die unter verseuchten Böden und dem Gestank abgefackelten Gases leiden. Bassey hilft ihnen zu klagen, und das mit Erfolg. Im vergangenen Juli etwa wurde Shell verurteilt, den Bewohnern eines Dorfes im Rivers State mehr als 72 Millionen Euro Schadenersatz zu zahlen. Inzwischen hat Bassey Shell vor ein niederländisches Gericht zitiert. Bis Ende des Jahres sollen dort die Fälle anderer Ölopfer gehört werden. Er lässt sich nichts sagen. Gleich nach ihrer Ernennung warf er der neuen Ölministerin vor, eine Marionette von Shells Gnaden zu sein – sie war im Wahlkampf im Blaumann der Kompanie gereist. Das UN-Umweltprogramm kritisiert er dafür, dass es sich eine Studie zum Zustand des Niger-Deltas ausgerechnet von Shell finanzieren ließ. Und als im Golf von Mexiko fieberhaft an der Eindämmung der Ölpest gearbeitet wurde, erklärte Bassey, die Ereignisse spiegelten das Leben im Niger-Delta wieder – nur dass dort niemand helfe. Auch seine Auszeichnung kommentierte Bassey kämpferisch: „Wir wollen, dass Verbrechen von Konzernen wie Shell weltweit ein Ende haben.“

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Die israelischen „Ärzte für Menschenrechte“ haben eine umfangreiche Agenda. Die medizinische Versorgung der Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland parallel zum grundsätzlichen Kampf gegen die Besatzung bilden dabei nur denAnfang.

Der nichtstaatlichen Organisation geht es auch um den Kampf gegen Frauenhandel und für die Rechte der Beduinen und der politischen Häftlinge, um die afrikanischen Flüchtlinge und um die ausländischen Arbeitnehmer. Für „ihren unbezähmbaren Geist, mit dem sie für das Recht auf Gesundheit für alle Menschen in Israel und Palästina einstehen“, sind die „Ärzte für Menschenrechte“ mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet worden.

Ruchama Marton, die vor 23 Jahren die Organisation gründete, empfindet die Auszeichnung als Anerkennung dafür, „was wir tun“, und hofft fortan, „noch ernster genommen zu werden als bisher“. In der Anfangsphase, als die engagierten Ärzte in zwei gemieteten Zimmern in Tel Aviv arbeiteten, „sind wir oft beschimpft worden“. Sie selbst habe als erste Frau, die einer Organisation vorstand, häufig „sexistische Anfeindungen“ über sich ergehen lassen müssen. Inzwischen verfügen die Ärzte für Menschenrechte über regelmäßige Spendeneinnahmen, die zumeist von Regierungen in Europa getragen werden. Zu den wichtigsten Partnern gehört medico international.

Um das zentrale Ziel der medizinischen Versorgung aller Menschen in Israel und Palästina zu erreichen, unterhält die Bewegung mobile Kliniken, mit denen israelische Ärzte ehrenamtlich in die ländlichen Gegenden im Westjordanland fahren. In Zusammenarbeit mit palästinensischen Ärzten im Gazastreifen hilft die israelische Organisation bei schweren Krankheitsfällen, die eine Behandlung in Israel nötig machen, bei den Anträgen für Ausreisegenehmigungen.

Als größten Erfolg der Organisation betrachtet Maron das inzwischen wieder stark eingeschränkte gerichtliche Verbot der Folter von 1999 sowie eine staatlich geregelte Krankenversorgung der Kinder ausländischer Arbeitnehmer. „Dass der Begriff Menschenrechte heute in Israel zum Alltag gehört, geht auf unser Konto“, sagt die Preisträgerin stolz. Wichtig bei ihrer Arbeit sei die Verknüpfung der unmittelbaren Hilfe für die Menschen mit der politischen Arbeit für Menschenrechte.

Das Preisgeld in Höhe von 50.000 Euro will Maron für ein Archiv verwenden, um anhand der Dokumentation „unserer bisherigen Erfolge vor Gericht den Weg für künftige Prozesse zu ebnen“.

AUS PORTO ALEGRE GERHARD DILGER

Er ist ein unermüdlicher Verteidiger der brasilianischen Ureinwohner, Seelsorger in Amazonien, aktiver Befreiungstheologe in Wort und Tat: Der austrobrasilianische Bischof Erwin Kräutler (71) ist ein Prototyp jener Basiskatholiken, die Brasiliens politische Kultur seit den sechziger Jahren entscheidend mitgeprägt haben.

1939 im österreichischen Vorarlberg geboren, folgte Kräutler 1965 seinem Onkel Erich als Missionar ins brasilianische Amazonasgebiet. Dort leitet er seit 1981 die Diözese Xingu. Als Vorsitzender des Indianermissionsrates Cimi streitet er zudem für die Rechte der Indígenas in ganz Brasilien.

„Ich spüre Ohnmacht angesichts so vieler Ungerechtigkeit“, bekennt Kräutler in seinem Buch „Mein Leben ist wie der Amazonas“ – und zeigt sich zugleich „empört über all die Ausbeutung und Plünderung der Menschen und ihrer Mit-Welt“.

„Mit-Welt“ ist ein zentraler Begriff in Kräutlers Variante der Befreiungstheologie, die stark von der indigenen Weltsicht geprägt ist. Anders als in der Logik der westlichen, vom rationalen Fortschrittsglauben angetriebenen Entwicklungsideologie, sieht er Mensch und Natur als Einheit.

Auch deswegen hat er sich zum wortmächtigen Gegenspieler von Präsident Lula da Silva in Amazonien entwickelt. In den letzten Jahren konzentrierte Kräutler seine Anstrengungen auf den Kampf gegen den geplanten Riesenstaudamm Belo Monte – oder „Belo Monstro“, wie er selbst zu sagen pflegt.

Für Kräutler ist das Megaprojekt mitten im Regenwald, das Lula vor Monaten genehmigt hat, „pharaonisch“ und „größenwahnsinnig“. In seinem Wohnort Altamira war er Gastgeber bereits mehrerer Großtreffen gegen Belo Monte. Durch sein unerschrockenes Auftreten hat sich der Bischof viele Feinde gemacht. Einflussreiche regionale Politiker, Großgrundbesitzer, Landspekulanten, Energiefirmen, Holzhändler und Geschäftsleute sehen durch ihn ihre Geschäfte bedroht. Kräutler, der bereits 1987 bei einem Attentat schwer verletzt wurde, steht seit Oktober 2006 unter Polizeischutz. Zwei Jahre später setzten Unbekannte 367.000 Euro auf seine Ermordung aus.

Derzeit sei er „sehr begeistert“ über die Stärke der Protestbewegungen gegen Belo Monte, berichtete Roberto Liebgott, Kräutlers Stellvertreter im Indianermissionsrat, der taz. „Der Preis kommt im richtigen Moment“, freut er sich, „er wird bestimmt die Mobilisierung der indigenen Völker am Xingu und im Bundesstaat Mato Grosso do Sul beflügeln.“