Strafbares Liedgut

Usbekischer Sänger wegen kritischen Liedes über das Massaker von Andischan zu Bewährungsstrafe verurteilt

BERLIN taz ■ Wer der Leier zarten Saiten spannt und dabei böse Lieder singt, begeht in Usbekistan ein Verbrechen. Der Sänger wurde wegen seiner Lieder über das Massaker von Andischan zu einer dreijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Das erklärte Suchat Ikramow, der Anwalt des Sängers, am Montagabend in Taschkent. Zwei Fans des Sängers sitzen wegen dessen Liedern bereits im Gefängnis. Sie hatten im November 2005 während einer Taxifahrt einige Lieder Chasanows gehört. Der Taxifahrer schwärzte seine Fahrgäste bei den usbekischen Behörden an, woraufhin die beiden vor einem halben Jahr zu Haftstrafen von vier und sechs Jahren verurteilt wurden.

Der 66-jährige Barde aus dem zentralasiatischen Staat hatte nach dem Massaker von Andischan zur Feder gegriffen und einen Liederzyklus über das Morden in der usbekischen Provinzstadt geschrieben. Am 13. Mai 2005 hatten auf Geheiß des usbekischen Präsidenten Islam Karimow Sicherheitskräfte des Landes einen Volksaufstand niedergeschlagen und wahllos in eine mehrtausendköpfige Menschenmenge geschossen.

Ohne Studiotechnik oder musikalische Begleitung hatte Chasanow die Strophen in der eigenen Wohnung auf einen Tonträger gesungen. „Der Schah ließ Panzerwagen singen, deren Lieder töteten jung und alt, es war ein gewaltiges Schießen, es war ein Massaker in Andischan // Die Scharfrichter sind Bastarde, sie legen sich zu ihren Müttern, sie wälzen sich in ihrer Scheiße, es war ein Massaker in Andischan.“

So lauten zwei Strophen des inkriminierten Liedes über das Sterben, das sich in Windeseile in Usbekistan verbreitete. Die Kassetten und CDs gingen von Hand zu Hand und schon bald kannte vom Aralsee bis zum Ferghanatal fast jeder das Lied.

Chasanow, der Staatschef Karimow unter anderem auch als „Blutsäufer“ besang, hat bereits seit 1992 in den vom Staat kontrollierten Fernseh- und Radioanstalten Auftrittsverbot. Schon während der Sowjetzeit eckte er als Dissident des Öfteren mit seinen Liedern bei den Herrschenden an. Die Usbeken lieben jedoch den unbequemen Sangeskünstler. Und so dürfte es wohl vor allem sein hoher Bekanntheitsgrad sein, der Chasanow dieses Mal vor dem Gefängnis bewahrte und mit einer für usbekische Verhältnisse eher milden Strafe davonkommen ließ.

MARCUS BENSMANN