„Muslime müssen sich repräsentiert fühlen“

Mit dem Islambeauftragten steigt das Vertrauen in die Polizei, sagt der Essener Hauptkommissar Frank Matuschek

taz: Herr Matuschek, warum haben Sie 1995 den Dialog mit Moschee-Vereinen begonnen?

Frank Matuschek: Nach der letzten Grubenfahrt der Zeche Zollverein 1986 verlor der Stadtteil den wichtigsten Arbeitgeber. Die Mieten in den Bergarbeitersiedlungen sanken drastisch und dadurch wurde Essen-Katernberg für libanesische Flüchtlinge interessant. Für die im Bürgerkrieg aufgewachsenen Jugendlichen gehörte Gewalt und Raub zur erlebten Normalität. Die Jugendkriminalität stieg sprunghaft an.

Normale Strafverfolgung hat nichts genutzt?

Genau. Wir gründeten zusammen mit AWO, Jugendamt und den Moschee-Vereinen ein Netzwerk, um mit den Jugendlichen in Kontakt zu treten.

Wie gewinnen Sie als christlicher Polizist das Vertrauen?

Zum Glück half uns ein angesehener Mann in der libanesischen Gemeinde den Kontakt zum sunnitischen Iman herzustellen. Er hat uns auch die wichtigen Sitten und Gebräuche erklärt.

Eckt man da schnell an?

Und wie. Das fängt schon damit an, dass man wissen muss, wann die Schuhe ausgezogen werden, wem die Hand gereicht wird und wem nicht. Nicht zuletzt ist die Gesprächsführung vollkommen anders.

Was müssen die Polizisten denn dabei beachten?

Bei Deutschen kommt man sofort zum Punkt. Bei Libanesen nimmt ein Beamter erst einmal Platz. Es wird über Gott und die Welt geredet. Vor der dritten Tasse Tee geht es selten um das eigentliche Anliegen.

Klingt arbeitsintensiv.

Zahlt sich aber aus. Nach der Anerkennung durch Respektspersonen wie Familienoberhäupter oder Imane wird die Polizei nicht mehr als Feind aufgefasst. Unser größter Erfolg ist es, dass sich die Meinung durchgesetzt hat: „Die Polizei hat nicht etwas gegen Ausländer, sondern gegen Straftäter.“ Auf dieser Basis können wir mit Jugendlichen reden, sie aufklären und überzeugen.

Ist der Erfolg messbar?

Früher hatten wir 25 so genannte jugendliche Intensivtäter mit mehr als fünf Straftaten pro Jahr. Jetzt haben wir nur noch acht – und davon sind sechs Deutsche.

Gibt es auch Probleme?

Für das libanesische Empfinden arbeiten die Mühlen der deutschen Justiz zu langsam. Bis es zum Richterspruch kommt, haben sich die Familien häufig außergerichtlich geeinigt und kooperieren dann kaum noch mit den Ermittlungsbehörden, obwohl es sich um Straf- und nicht Zivilverfahren handelt.

Fände vielleicht ein Kollege mit Migrationshintergrund mehr Gehör?

Ich denke nicht. Gerade bei kulturellen Gemeinsamkeiten fordern die Betroffenen den Beamten viel schneller zur Parteinahme auf. Wir brauchen nicht einen Quoten-Muslim für muslimische Mitbürger, sondern eine spiegelbildliche Abbildung der Gesellschaftsstruktur in der Polizei. Im Endeffekt müssen sich die Muslime in der Institution angemessen repräsentiert fühlen. INTERVIEW: RALF GÖTZE