Um den Bauten Schmuck anzulegen

REZENSION Fritz Schumacher prägte nicht nur den sozialen Wohnungsbau und das städtebauliche Gesicht Hamburgs. Er stattete auch viele Neubauten künstlerisch aus

Die Verbindung von Architektur und Kunst war für Schumacher ein sozialtherapeutisches Anliegen

VON ANGELA DIETZ

Kein Architekt hat Hamburg so stark geprägt. Fällt der Name Fritz Schumacher, denkt man zunächst an Backsteinbauten und Reformwohnungsbau, den Dulsberg und die Finanzbehörde. Wandbilder, Skulpturen, Keramik und Glasmalerei sind dagegen weniger mit dem langjährigen Oberbaudirektor verbunden. Kunst und Kunsthandwerk an den Bauwerken bezeugen Schumachers Kunstauffassung. Mit einer umfangreichen Studie untersucht Kunsthistorikerin Maike Bruns die Bedeutung des Bauschmucks in Schumachers Werk. Denn für ihn gehörte die bildende Kunst untrennbar zur Architektur dazu.

Der von Hartmut Frank und Ullrich Schwarz herausgegebene Band widmet sich 107 künstlerisch ausgestattete Schumacher-Bauten. Dabei unternimmt Maike Bruns den Versuch, eine von Schumacher selbst geplante Monographie, die er aber nicht mehr verwirklichen konnte, auszuarbeiten. Auf 400 bebilderten Seiten erschließt sich dem Leser immer wieder eine neue – kulturgeschichtliche, politische, ästhetische oder sozialpolitische – Perspektive auf seinen Gebäudeschmuck, der die Architektur ästhetisch und sozialtherapeutisch ergänzte. Die Texte behandeln die Rolle Schumachers als Baudirektor in Hamburg, kunstgeschichtliche Aspekte seines Schaffens, die Innen- und Außengestaltung der einzelnen Bauwerke, geht aber auch auf die dafür beauftragten Künstler näher ein und räumt auch den besonderen Denkmälern und dem Stadtpark Platz ein.

Wie das Buch zeigt, geht auf Schumacher (1869-1947) längst nicht nur der rote Klinker zurück: Treppenhäuser, Wandbilder, Portale, Türen, Skulpturen, Reliefs, Brunnen, Glaskunst und Glasmalerei, Keramiken und auch die Farbgestaltung der Innenräume. Einiges ist über die Zeit verloren gegangen oder rekonstruiert: wie das Glasfenster von Carl Otto Czeschka in der heutigen Hamburger Handwerkskammer.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Kunsthistorikerin eingehend mit diesem Thema auseinandersetzt, bereits bei der Schumacher-Ausstellung 1994 untersuchte Bruhns die Zusammenarbeit zwischen Oberbaudirektor und Hamburger Künstlern. Sie zeigt, dass Schumacher mit zahlreichen Künstlern der Hamburgischen Sezession, einer spätavantgardistischen Künstlervereinigung, zusammen arbeitete – mit Eduard Bargheer, Richard Kuöhl, Gretchen Wohlwill, Anita Rhée und Rolf Nesch.

Fritz Schumacher verstand sich selbst als Baukünstler und sah sich – so betont Bruns „in der Tradition der Künstlerarchitekten der Renaissance, Alberti und Brunelleschi“. Sozial engagiert und fachübergreifend agierend hatten für ihn die Wohnungspolitik und pädagogische Konzepte eine ebenso große Bedeutung wie die Kunst am Bau und die übergreifende Gestaltung der Stadt als Ganzes. Dabei sind Architektur und Bildende Kunst eng verknüpft. Schumacher nannte die Freundschaften zu Künstlern selbst den „hellen Hintergrund“ seines Lebens.

Der 1909 aus Dresden nach Hamburg übergesiedelte Architekt und Hochschullehrer trat zunächst eine Stelle in der Hamburger Bauverwaltung an. Bei der Stadtplanung und der Errichtung von Bauwerken bezog er Bildhauer und Maler schon in der Entwurfsphase mit ein.

Sein Antrieb war – ähnlich wie bei vielen anderen Künstlern seiner Zeit – der Aufbruch in eine neue Zeit. Sein Wunsch war es, Reform und Moderne künstlerisch miteinander zu vereinen, um nicht nur das städtebauliche Wirrwarr, sondern auch das soziale Elend der Arbeiter in der Stadt in den Griff zu bekommen. Die Verbindung von Architektur und Kunst war für ihn dabei weniger bildungsbürgerliches als sozialtherapeutisches Anliegen.

Die Künstler, mit denen er arbeitete, wählte er selbst aus. Der Dekorationsmaler Otto Fischer-Trachau und der Keramiker Richard Kuöhl kamen ebenfalls aus Dresden. Bei großen Aufträgen wie der Finanzbehörde oder der Pathologie im heutigen Universitätsklinikum Eppendorf arbeiteten sie eng zusammen. Maike Bruns betont, dass es zahlreiche Netzwerke und Kooperationen dieser Art gab.

Bruhn resümiert, dass Schumacher zwar seine großen Ideen zum überwiegenden Teil verwirklichen konnte, sein Ideal, das „erwünschte Kaleidoskop der Künste in seinen Bauten als dauerhaften Wert zu etablieren“ jedoch verfehlte. Das jedoch liegt nicht an seinem Wirken selbst, sondern vielmehr an der fatalen Kunstpolitik der NS-Zeit, an den Kriegszerstörungen sowie an der Abriss- und Umbaupolitik der Nachkriegszeit.

Maike Bruhns: „Ein Kaleidoskop der Künste – Bauschmuck bei Fritz Schumacher“. Dölling und Galitz Verlag, 400 Seiten, 49,90 Euro