Störfall im norwegischen Atomreaktor

Rund 20 Kilometer vor Oslo bliesen Ventilatoren 30 Minuten lang radioaktiven Wasserdampf in die Luft. Betreiber sehen wegen geringer Belastung nur „akademisches Interesse“. Umweltschützer warnen aber schon lang vor den alten Reaktoren

AUS STOCKHOLM REINHARD WOLFF

Erneut hat ein skandinavischer Reaktorbetreiber an diesem Wochenende einen atomaren Störfall melden müssen. Rund sechs Wochen nach der Panne im schwedischen AKW Forsmark versagte am Samstag die Technik im norwegischen Forschungsreaktor Jeep 2 in Kjeller, rund 20 Kilometer von Oslo entfernt.

Erst kam es zu einem Kapselbruch von mindestens einem Uranbrennstab in dem mit schwerem Wasser moderierten Reaktortank. Danach wurde die dabei freigesetzte Radioaktivität über einen Lüftungsschornstein 30 Minuten lang in die Außenwelt hinausgeblasen, weil sich das Ventilationssystem nicht automatisch abstellte. Nach Angaben des Reaktorbetreibers, dem Institutt for Energiteknikk, sollen einige Liter verstrahlten schweren Wassers in Form von Dampf freigesetzt worden sein.

Als Folge wurden im Reaktorgebäude etwa doppelt so hohe Strahlenwerte wie normal gemessen, sowie leicht erhöhte Radioaktivität in der Umgebung des Reaktors. Diese sind laut Ole Harbitz von der staatlichen Strahlenschutzbehörde Statens Strålevern aber so gering, dass sie nur „akademisches Interesse“ befriedigen. Nils Bøhmer, Atomphysiker bei der Umweltschutzorganisation Bellona, spricht trotzdem vom bislang schwersten Störfall in Norwegen. Erstmals sei in dieser Form unkontrolliert Radioaktivität freigesetzt worden: „Entscheidend ist, dass die internen Kontrollen nicht funktioniert haben.“ Auch Gesundheitsministerin Sylvia Brustad betonte: „Es besteht kein Grund, das zu bagatellisieren.“

Der Betrieb des mittlerweile 39 Jahre alten Forschungsreaktors in Kjeller und der sogar 51 Jahre alten ähnlichen Reaktoren in Halden werden schon seit Jahren von Bellona und anderen Umweltschutzorganisationen kritisiert. „Der Stahl in den Reaktortanks ist spröde geworden“, urteilt Bøhme.“ Mehrfach in den letzten Jahren habe es Störfälle gegeben. Der Reaktor in Kjeller hat noch eine Betriebserlaubnis bis 2008. Die Betreiber haben aber eine Verlängerung um weitere zehn Jahre beantragt.