Dreieinhalb Jahre Stadionverbot

PROZESS Das Landgericht München verurteilt Uli Hoeneß wegen Steuerhinterziehung. Wird das Urteil rechtskräftig, muss der Funktionär dreieinhalb Jahre in Haft

AUS MÜNCHEN TOBIAS SCHULZE

Keine La Ola. In der vorletzten Reihe sitzen fünf Bayernfans, zwei von ihnen tragen rote Trikots, kurz vor der Urteilsverkündung hatten sie noch die Feier geplant. Bei Bewährung: La-Ola-Welle. Bei Einstellung des Verfahrens: die Vereinshymne. Und wenn sie dafür aus dem Saal fliegen: scheißegal. Hauptsache, der Uli muss nicht in den Knast.

Keine La Ola also. Drei Jahre und sechs Monate Haft lautet das Urteil im Prozess gegen den Steuerhinterzieher Ulrich Hoeneß. Der Präsident des FC Bayern München sitzt vorne links. In seinem Gesicht regt sich nichts.

Mit den Augen fixiert er Rupert Heindl. „Ihre Selbstanzeige war nicht missglückt“, belehrt ihn der Richter. „Sie war erkennbar unzureichend.“ Das ist der entscheidende Punkt: Als Hoeneß im Januar 2013 in Panik geriert, weil sein Schweizer Nummernkonto aufzufliegen drohte, schusterte er eine Selbstanzeige über Nacht zusammen. Die wichtigsten Dokumente konnte er in dieser Zeit unmöglich auftreiben. Sein Geständnis von damals bewahrt ihn deshalb nicht vor einer Strafe.

Die Richter folgen zu großen Teilen dem, was Staatsanwalt Achim von Engel am Vormittag gefordert hatte. „Eine wirksame Selbstanzeige muss mindestens so viele Angaben enthalten wie eine Steuerklärung“, hatte der Ankläger gesagt. Schon eine normale Steuererklärung erfordert einige Angaben. Bei jemandem wie Hoeneß, der mit Devisen spekulierte und jedes Jahr hunderte Transaktionen durchführte, kommen noch mal ein paar dazu. 70.000 Dokumente befanden sich auf den USB-Sticks, die sein Steuerberater in der Faschingswoche dem Finanzamt übergab. Erst danach, über ein Jahr nach der Selbstanzeige, konnten die Beamte Hoeneß’ Steuerschuld ausrechnen. Zuvor hatte der Angeklagte sämtliche Abgabefristen verstreichen lassen. Die Staatsanwaltschaft forderte deshalb fünf Jahre und sechs Monate Haft.

Als ein Bayern-Fan im Publikum das hörte, schlug er die Hände vors Gesicht. Erst beim Plädoyer der Verteidigung schöpfte er wieder Hoffnung. „Die Selbstanzeige ist weit weniger dilettantisch, als viele, die sie nie gelesen haben, behaupten“, sagte Anwalt Hanns Feigen. Die Angaben hätten ausgereicht, um die Steuerschuld grob abzuschätzen. Hoeneß habe also nicht versucht, das Ausmaß seiner Steuerhinterziehung zu verschleiern. Die Richter müssten das Verfahren einstellen, und falls nicht, zumindest von einer Haftstrafe absehen.

Hoeneß selbst verzichtete auf ein letztes Statement. Den ganzen Vormittag über hatte er wortlos den Prozess verfolgt. An dieser Verhandlung hatte er schwer zu knabbern. Bis vor Kurzem konnte dem Uli Hoeneß ja niemand etwas anhaben. Noch nie. Nachdem er wegen eines Knorpelschadens seine Profikarriere beenden musste, wurde er halt Manager. Nachdem auf dem Weg zu einem Länderspiel seine Propellermaschine abgestürzt war, kletterte er als einziger Überlebender aus dem Wrack. Nachdem seine Bayern 2012 das Finale der Champions League verloren hatten, verpflichtete er für zig Millionen neue Spieler; die Trophäe holte sich der Verein im nächsten Finale. Beim FCB war Hoeneß deshalb der Super-Uli, den jeder hofierte.

In Saal 134 des Münchner Justizpalasts ist damit Schluss. Rupert Heindl lässt dem Fußballmanager nichts durchgehen. Der Richter spricht mit sanftem bayerischen Akzent, aber deutlichen Worten. „Es lag allein in ihrer Verantwortung, wie sie mit dem Konto in der Schweiz umgehen“, sagt er in der Urteilsbegründung direkt an Hoeneß gerichtet. Diesmal wird es der Bayern-Präsident schwer haben, das Ruder rumzureißen. Wird das Urteil rechtskräftig, muss Hoeneß die Strafe nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters in der JVA Landsberg am Lech absitzen. Immerhin: Unter Häftlingen gilt die Verpflegung dort als vergleichsweise genießbar. Die Gefangenen dürfen auch TV-Geräte mit in ihre Zelle nehmen. Es gibt Kabelfernsehen. Auf Champions-League-Spiele seines Vereins müsste Hoeneß also nicht verzichten. Vergnüglich geht es in bayerischen Gefängnis trotzdem nicht zu. Telefonate sind beispielsweise nur in absoluten Ausnahmefällen erlaubt.

Eine Chance bleibt Hoeneß, dem Knast zu entgehen: Seine Anwälte wollen in Revision gehen. Am Bundesgerichtshof prüfen die Richter aber das Urteil nur auf Rechtsfehler. In etwa 95 Prozent der Fälle lehnen sie Beschwerden noch vor einer öffentlichen Verhandlung ab.