Kunstvoll aus der Welt scheiden

Um gegen die letzten Anfechtungen gewappnet zu sein, trug der Gläubige im Mittelalter stets ein kleines Büchlein bei sich: Eine Anleitung zum richtigen Sterben. Das Kölner Museum Schnütgen widmet sich aber auch anderen Künsten des Ablebens

VON KATJA BEHRENS

Vermutlich hat der Mensch irgendwie schon immer über die eigene Vergänglichkeit meditiert. Es gibt wohl kaum ein Thema der Menschheitsgeschichte, welches sich größerer Beliebtheit erfreute als das Sterben. Neben den monumentalen großplastischen Werken sind es handliche kleinplastische Objekte, die daran erinnern, dass es irgendwann Zeit wird. Zum Beispiel beim Stochern im Zahn, beim Rauchen oder beim Schnupfen von Schnupftabak. Die Preziosen, die das Museum Schnütgen in Köln in der Ausstellung „Zum Sterben schön! Alter, Totentanz und Sterbekunst von 1500 bis heute“ ausbreitet, befassen sich mit der letzten aller Gewissheiten, mit dem Thema, das uns alle angeht – mit dem Tod.

In einer gelungenen Kooperation haben die Heinrich Heine-Universität Düsseldorf und das Kölner Museum Schnütgen, ausgehend von den eigenen Sammlungsbeständen eine Ausstellung zusammengetragen, die sich der Kunst des Sterbens als einem zentralen Kapitel der westeuropäischen Kultur- und Mentalitätsgeschichte widmet. Die beiden Kuratorinnen Andrea Hülsen-Esch und Hiltrud Westermann-Angerhausen sind stolz auf ihr Projekt, das nach seinem Start auch in Düsseldorf und Recklinghausen gezeigt wird.

Doch die in Ausstellung und Katalog postulierte Aktualität des Todes und seiner Motivik bleibt lediglich eine Behauptung, wenn die historischen Artefakte eher ein Skurrilitätenkabinett schmücken könnten, als tatsächlich die brennenden Fragen des Sterbens in einer modernen Welt zu berühren. Dabei helfen auch nicht die graphischen Blätter von Salvador Dali, HAP Grieshaber oder Horst Janssen, die das Motiv „Tod und Mädchen“ variieren, eigentlich aber die mittelalterliche Ikonographie fortschreiben. So ist in dem romanischen Kirchenraum von St. Cäcilien in Köln zwar eine ausgesprochen schöne historische Ausstellung zu sehen, der zweibändige Katalog ein Fleisswerk mit viel interdisziplinärem Hintergrund, letztendlich aber ist die Präsentation ein Blick in die Geschichte. Und da war der Tod war immer schon angstbesetzt.

Zu sehen sind, neben dem ersten noch erhaltenen vollständigen Blockbuch in deutscher Sprache, wunderbar kuriose Objekte wie Gedenkringe mit Tödlein, Anhänger in Sargform, Vanitas-Rosenkränze, Wendeköpfe, in denen Reliefs von Menschengesichtern mit einem Totenschädel verschmelzen, und all die anderen Utensilien, die als Memento Mori zur Kultur des Todes und seiner visuellen Beschreibung gehören. Wundersame Dinge auch sind die aufklappbaren Objekte zur Darstellung der Anatomie oder die Alltagsgegenstände, deren Gestalt nie vergessen lässt, was uns alle früher oder später erwartet: Zigarettenspitzen (welch makabere Aktualität), Schnupftabakdosen, Messer, Uhren natürlich, sogar ein Handtuchhalter erinnern an den Tod.

Warum aber wird diese obsessive Beschäftigung der christlichen Welt mit dem Tod als etwas so Besonderes gehandelt? Schon der wunderbare ottonische Kruzifix des Museums ist doch ein Beispiel jener exzessiv verinnerlichten Furcht und der gleichzeitigen Tröstung. Die Beschäftigung mit dem Tod begann also sicher nicht erst vor 500 Jahren. Offenbar aber machten es die Umstände des massenhaften Sterbens während der Pestepedemien zwischen 1326 und 1500 geradezu unumgänglich, den plötzlichen eigenen Tod zumindest als Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Die seit 1450 aufkommenden bebilderten Ars-Moriendi-Büchlein enthielt die Anleitung, wie sich angemessen auf das eigene Sterben vorzubereiten sei. Es war klein und handlich, konnte überall mit hingenommen werden und war seit Erfindung des Buch- und Blockdrucks im 15. Jahrhundert äußerst beliebt. Kein Wunder, denn natürlich läuft alles auf ein Happy End hinaus: dass der Teufel am Ende vor dem Kruzifix flieht.

Bis 26. November 2006Museum Schnütgen, KölnInfos: 0221-22122310