Christian Buss Der Wochenendkrimi
: Künstler unter Panzerglas

Atelier wäre der falsche Ausdruck für seine Arbeitsräume, Kunstfabrik trifft es eher. Hanns Helge unterhält in Berlin-Mitte ein mehrstöckiges Gebäude samt Herstellungshalle mit Kran, die von Galeristinnen, Musen und Brötchenholern bevölkert wird. Den Hofstaat zu finanzieren, stellt für Helge kein Problem dar. Er ist „der teuerste Künstler unter 40“.

Der Marktwert könnte jetzt noch einmal steigen. Denn eines Morgens liegt Helge tot in seiner Kunstmanufaktur, erschlagen von einem Panzerglasquader. Auch in seinen aktuellen Arbeiten beschäftigte er sich mit dem Thema Tod; das Sterben hielt er angeblich für die ultimative Grenzerfahrung. Dass Helge aus experimentellen Gründen Suizid begangen hat, ist trotzdem auszuschließen.

Regisseurin Christine Hartmann (drehte einst mit „Todesbrücke“ die beste Berliner „Tatort“-Episode überhaupt) und Autorin Beate Langmaack (schrieb einige grandiose Schweriner „Polizeirufe“) sind schlau genug, keine plumpe Kunstbetriebskritik zu betreiben. Zwar konnten sie es nicht lassen, hier mit Damien Hirst zu winken und dort auf Jonathan Meese anzuspielen – doch statt sich über die Macken der Kreativen zu echauffieren, spüren sie lieber den sozialen Dynamiken innerhalb ihrer Lebenswelt nach.

Während sich Ermittler Stark (Boris Aljinovic) über eine Galeristin (Karoline Eichhorn) ins befremdlich reiche Metier einführen lässt, muss Ritter (Dominic Raacke) allerdings die Wohnung seines Onkels abwickeln. Der hatte sich aus Einsamkeit in seiner Garage mit Autoabgasen vergiftet; in der Kneipe „Alt-Berlin“ war er schon lange nicht mehr zur Skatrunde erschienen.

Klug werden Kunstbetrieb und Kleinbürgertum in Kontrast gesetzt. Doch so unterschiedlich die Milieus – der Tod ist eine egalitäre Angelegenheit. Ob unter einem Panzerglasquader oder mit Abgasschlauch am Mund: Jeder stirbt für sich allein.

Berlin-„Tatort“: „Die Unmöglichkeit, sich den Tod vorzustellen“, Sonntag, 20.15 Uhr, ARD