leserinnenbriefe
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Ein gefährlicher Fehler

■ betr.: Mitgrantenlehrer bestehen auf Deutsch“, taz vom 22. 9. 10

Alle, die im Gefolge von Herrn Sarrazin Rezepte und Hinweise auf Versäumnisse parat haben und dabei „Deutsch lernen!“ als erste Forderung für Migranten aufstellen, sollten verpflichtet werden, sich in Berlin im „Französischen Dom“ im Hugenottenmuseum die Dokumentation einer vorbildlich gelungenen Integration sehr genau anzusehen.

Der Große Kurfürst, der den calvinistischen „Réfugiés“ aus Frankreich in Berlin Tor und Tür geöffnet hatte, sodass sie zeitweise 20 Prozent der Stadtbevölkerung ausmachten, forderte, dass deren Kinder in der Schule vor allem Französisch lernen müssten. Seine Begründung: Nur wer die eigene Sprache und Kultur kenne und liebe, könne eine andere wertschätzen und annehmen. Das wirkte so nachhaltig, dass Fontane später über seine (und Thilo Sarrazins) hugenottischen Vorfahren schreiben konnte: „Land-Fremde waren wir, nicht Herzens-Fremde“.

Wer heute den Gebrauch der Herkunftssprachen in den Schulen unterdrückt, wie Viola B. Georgi und Kübra Yücel („Türkisch nur im Hinterzimmer“, taz vom 1. 9. 10) es beschreiben, könnte beim Großen Kurfürsten lernen, dass das ein gefährlicher Fehler ist.

BÄRBEL HAUDE, Göttingen

An die Treuhand erinnert

■ betr.: „Regierung verteidigt Millionenboni“, taz vom 21. 9. 10

Da wird eine Bank heruntergewirtschaftet, der Staat (also wir) bezahlt den Schaden, und nun behauptet das Finanzministerium, es handle sich um „erfahrene und gute Mitarbeiter“. Dass diese Mitarbeiter, die gerechterweise nun arbeitslos sein müssten, sich jetzt schamlos bedienen, erinnert an die Treuhand. Damals wurden die hohen Gehälter genauso begründet (allerdings auch noch mit Straffreiheit bei grober Fahrlässigkeit ausgestattet). Ich schließe daraus, dass aus Sicht unserer Regierung alles mit Geld geregelt werden muss. Nur wenn die Bezahlung stimmt, gibt’s auch die geforderte Leistung – natürlich nur bei den sogenannten Leistungsträgern (sonst gäb’s ja keine Mindestlohndebatte).

SIEGFRIED MEISWINKEL, Meddersheim

Eine Verzweiflungstat

■ betr.: „Auch sie tötet hart“, taz vom 21. 9. 10

auch sie wurde hart getötet. vermutlich mit dem sogenannten finalen rettungsschuss. wie das geschah und ob es sich hätte vermeiden lassen, scheint keine relevante frage zu sein. dass die mordende anwältin aus lörrach „den eigenen tod bewusst miteinkalkuliert“ hat, wird nicht angezweifelt. über die ursache ihrer tat, einer verzweiflungstat, zu forschen, hieße, die verzweiflung unzähliger frauen, die (noch) still leiden, ernst zu nehmen. XENIA FITZNER, Berlin

Alles erlauben

■ betr.: „Amoklauf: Anwältin tötet drei Menschen“, taz vom 21. 9. 10

Seien wir doch mal ehrlich: Auch hier verschieben bestimmte Firmen bei Risiko von Krankheit und Tod Unbeteiligter viel Geld. Sportwaffen sind teuer, das neueste Modell ist es sowieso, ständiger Nachkauf von Munition nötig.

Darum sind auch Kriege ein Riesengeschäft. Geld, Geld, Geld, ob Waffenrecht, Atomausstieg, DB-Verkauf … Und die argumentierenden Lobbyisten halten den Bürger für IQ 40: Man könne ja auch mit Messer und Auto töten! Mit Stein, Wasserflasche oder bloßer Hand auch! Umkehrschluss: alles erlauben, die Handgranate unterm Kissen, die Luft-Boden-Rakete im Keller. Allerdings, wo (Schuss-)Waffen sind, wird schneller jemand getötet, als wenn sie fehlen. Die Technik für emissions- und projektilfreies Schießen ist vorhanden (gesünder auch), Krach simulierbar. Wer weiter aufs infantile bum!, schepper!, Feuer frei! besteht, ist eine zusätzliche Gefahr für die Gesellschaft. HENDRIK FLÖTING, Berlin