Aussicht auf Arbeit für Analphabeten

Vor allem unter Jugendlichen ist der Anteil funktionaler Analphabeten hoch. In Brandenburg werden sie erstmals mit Grundbildungskursen und 1-Euro-Jobs gelockt, einen Abschluss zu machen und fit für den Arbeitsmarkt zu werden

Seit Februar haben die 36 jungen Männer und Frauen in kleinen Schritten wieder lesen und schreiben gelernt. Sie gehören zu den 280 Jugendlichen im brandenburgischen Landkreis Dahme-Spreewald ohne Schulabschluss. Um sie überhaupt für Alphabetisierungskurse zu motivieren, wurden ihnen 1-Euro-Jobs angeboten. Damit lernen sie das Berufsleben kennen und haben einen Anreiz, ihren Hauptschulabschluss nachzuholen.

Das Projekt, das die Arbeitsgemeinschaft Grundsicherung in Zusammenarbeit mit der VHS Brandenburg und dem zweiten Bildungsweg auf die Beine gestellt hat, ist laut Arge-Geschäftsführer Wolf Kuhn in Brandenburg einzigartig. „Wir haben festgestellt, dass 20 Prozent unter den Jugendlichen keinen Hauptschulabschluss haben, darunter gibt es viele, die sehr starke Lese- und Schreibdefizite aufweisen, sodass wir handeln mussten.“

Die Resonanz ist gut: „Die meisten sind einfach froh, dass sie wieder etwas machen können“, erklärt Thomas Drescher von der Volkshochschule Dahme-Spreewald, wo die Jugendlichen ihren Real- oder Hauptschulabschluss nachholen.

Neben Grundkursen in Lesen, Schreiben und Mathematik wird auch Orientierungswissen in Politik und Recht vermittelt, wie das politische System oder das Grundgesetz. Das Konzept beruht darauf, auf die Jugendlichen einzugehen und auch spezielle persönliche Probleme gemeinsam zu lösen. Wenn man die Schüler wieder nur frontal unterrichte, sagte Kuhn, würden sie bald wieder die Schule abbrechen, und „dann stehen sie wieder bei uns“.

In Brandenburg gibt es nach Hochrechnungen des Bundesverbandes Alphabetisierung etwa 125.000 funktionale Analphabeten. Diese können im Gegensatz zu totalen Analphabeten einzelne Wörter lesen, aber für einen längeren Brief reicht es nicht aus. Schreiben können viele von ihnen nur ihren eigenen Namen oder auch kleinere Texte, die aber in jedem zweiten Wort erhebliche Fehler aufweisen. Das Projekt zur Vermittlung von Grundkompetenzen wird an einigen Volkshochschulen auch für Erwachsene angeboten. Carola Christen, Geschäftsführerin des Brandenburger Volkshochschulverbands, berichtet, dass sich schon sieben VHS aktiv daran beteiligen. Doch an die betroffenen Personen heranzukommen sei schwierig, da sich viele für ihr Problem schämten. Doch sie ist optimistisch, dass sich das Konzept durchsetzen wird. Für 2007 sind weitere Kurse geplant.

Tim-Niklas Kubach