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PROPAGANDA Die antikubanischen US-Kampfsender Radio und TV Martí bekommen einen neuen Chef

Carlos García Pérez heißt der Mann Barack Obamas. Der in Puerto Rico lebende Anwalt soll den Direktorenposten von Radio und TV Martí, den US-Propagandasendern gen Kuba, übernehmen.

Über die Berufung des Mitglieds der einflussreichsten exilkubanischen Organisation, der Kubanisch-Amerikanischen Nationalstiftung (Canf) muss der Rundfunkrat noch befinden. Doch der Schritt Barack Obamas ist ein Signal für den politischen Willen, ein kostspieliges, aber wenig effektives Propagandaspielzeug beizubehalten.

Der 1983 von Präsident Ronald Reagan auf Drängen von Exilkubanern gegründete Radiosender hat die Aufgabe, den Kommunismus vor der eigenen Haustür zu bekämpfen, und wurde 1990 um den Fernsehsender TV Martí ergänzt. Die Sender, nach dem kubanischen Freiheitskämpfer José Martí benannt, haben seit der Gründung rund eine halbe Milliarde US-Dollar verschlungen, aber, so die Kritiker, wenig bis gar nichts bewirkt.

Das bestätigt auch das Rechenschaftsbüro der US-Regierung. Das führt in einem zum Jahresbeginn erschienen Bericht an, dass weniger als ein Prozent der 11,2 Millionen Kubaner die in Miami, US-Staat Florida, beheimateten Sender nutzen. Das hat mehrere Gründe.

Zum einen gibt sich Kuba jede erdenkliche Mühe, den Empfang der Propagandasendungen zu stören, zum anderen sind die in der Vergangenheit oft so einseitig gewesen, dass sie wenig attraktiv für die Zuschauer beziehungsweise Zuhörer waren. In Havanna schauen die Leute lieber Univisión und andere auf ein lateinamerikanisches Publikum abzielende Sender. „Die werden illegal über selbst gebastelte Antennen oder auf dem Schwarzmarkt kursierende Geräte und Zugangscodes geschaut“, sagt zum Beispiel Miriam. Bei der privaten Zimmervermieterin, die in Havanna lebt, läuft rund um die Uhr Univisión im Wohnzimmer.

Das fehlende Interesse der kubanischen Bevölkerung an Radio und TV Martí ist auch den US-Politikern nicht verborgen geblieben. Darauf haben auch moderate Organisationen des Exils, darunter die zum Dialog mit Havanna bereite Kubanisch-Amerikanische Nationalstiftung (Canf), hingewiesen. Sicherlich ein Grund, weshalb Barack Obama mit Carlos García Pérez einen Mann der Stiftung als Direktor von Radio und TV Martí vorgeschlagen hat. Für mehr Objektivität soll der Anwalt für Handelsrecht sorgen. Doch eine ganze Reihe Demokraten sind wie Senator Russ Feingold für das Ende des Senders. Der sei ein „Relikt des Kalten Krieges“, schrieb er im Frühjahr an den Präsidenten.

Doch Obama will von der teuren Propaganda nicht lassen. Dabei könnte so eine Geste das gestörte Klima zwischen Havanna und Washington merklich verbessern. KNUT HENKEL