Britney und bunt

Sie ist dick, aber nicht gehaltvoll: Die neue Tageszeitung „Österreich“ wirbelt dennoch den österreichischen Pressemarkt kräftig auf

AUS WIEN RALF LEONHARD

Österreich hat eine neue Tageszeitung. Sie heißt, ganz unprätentiös, Österreich. Noch nie wurde das Erscheinen eines neuen Mediums mit vergleichbarem Getöse vorbereitet. Bevor das Blatt am 1. September das Licht der Welt erblickte, waren alle österreichischen Haushalte mehrmals mit bunten Broschüren und Abokarten bombardiert worden. Über 50.000 ließen sich auf ein Probeabo ein.

Nach knapp einer Woche regelmäßigen Erscheinens lässt sich nun sagen: Die neue Zeitung ist vor allem bunt, sehr bunt. Und dick. Für den Preis von nur 50 Cent bekomme man vier Zeitungen in einer, preist Herausgeber Wolfgang Fellner sein Produkt. Neben dem Hauptbuch gibt es einen Lokalteil und zwei Beilagen auf Hochglanzpapier: die eine mit Promiklatsch, Mode und Horoskop, die andere eine tägliche Fernsehillustrierte. Das alles im für Österreich unüblichen Tabloid-Format.

Mit einer täglichen Auflage von 400.000 gestartet, will Österreich aus dem Stand die marktbeherrschende Kronen Zeitung herausfordern. Anders als die verschnarchte Krone richtet sich Österreich nicht an Rentner und Halbgebildete, sondern an die Jungen, Modernen, Erfolgreichen. Was in diesem Fall gleichbedeutend ist mit Menschen, die nicht gewohnt sind, größere Textmengen aufzunehmen. Beeindruckend ist immerhin die Fülle an Themen, die jeden Tag geboten wird. Vom Wahlbarometer bis zum Blick auf die rasierten Schamlippen unter dem Rock von Britney Spears ist alles drin und für jeden was dabei. Politisch gibt man sich ohne erkennbare Schlagseite, weshalb das Blatt von Vertretern aller Couleurs gepriesen wird.

Diese Herausforderung konnte Krone-Herausgeber Hans Dichand nicht unwidersprochen lassen. Ungeachtet der Tatsache, dass zumindest der politische Teil seines Boulevardblatts von Männern jenseits der 60 gemacht wird, ließ er kürzlich für die bunte Sonntagsbeilage ein Team fröhlicher junger Frauen als stellvertretend für die Redaktion aufmarschieren. Und der Kurier, der über Nacht seine Position als zweitgrößte überregionale Zeitung abgeben musste, kam letzte Woche mit einem gelifteten Layout heraus.

Eigentlich war der Start für den 18. September geplant. Doch der frühe Termin der Nationalratswahlen am 1. Oktober setzte die Zeitungsmacher unter Druck. Fellner reagiert mit der Vorverlegung auch auf den „starken Wunsch der Werbewirtschaft, gleich von Beginn der Herbstsaison voll in Österreich inserieren zu können.“ In der Tat, geworben wird großzügig. Fellner ist der Platzhirsch auf dem österreichischen Zeitschriftenmarkt. Das Sensationsblatt News ist das Wochenmagazin mit der größten Auflage, das Fernsehmagazin tv-media ist Marktführer in seiner Sparte, Woman hat sich neben den klassischen Frauenzeitschriften zumindest einen Stammplatz erobern können.

Mit der neuen Tageszeitung erfüllt sich der 51-jährige Medienmogul einen lange gehegten Herzenswunsch. Und wie immer wird nicht gekleckert, sondern mächtig geklotzt. Der 2.400 Quadratmeter große Newsroom liegt am Naschmarkt, gleich gegenüber der von den bedeutendsten Jugendstilkünstlern gegründeten Secession. 150 der insgesamt 200 Journalistinnen und Journalisten produzieren dort Nachrichten am Fließband. 55 von ihnen wurden gleich in einer eigenen Journalistenakademie nach den Bedürfnissen der neuen Zeitung herangebildet.

Fellner hat 50 Millionen Euro von einem Bankenkonsortium auf der Kante. Damit kann er mehrere Jahre Verluste schreiben. Experten meinen, der Markt vertrage eine zusätzliche Zeitung. Schließlich hat Österreich mit Österreich erst 17 Tageszeitungen. Die kleinere Schweiz hat dagegen Platz für rund 100.