Die lieben Verwandten

Vater, Mutter, Kind, Schirrmacher: Die „Familienwoche“ bei 3sat ist eine gesellschaftspolitische Wundertüte

Familienwoche bei 3sat. Das klingt ein wenig nach einer Rabattaktion im Erlebnisbad, die Eltern zahlen, die Kinder dürfen gratis planschen. Das aber Kinder nicht umsonst zu haben sind – und das meint gar nicht mal nur die finanziellen Aspekte –, ist eines der Themen, die sich der Kultursender seit vergangenem Sonntag zum Schwerpunkt gemacht hat „Väter, Mütter, Kinder – Familienleben heute“ heißt die Melange aus Konkretem und Allgemeinem, Fallbeispielen und Gesellschaftsanalysen, aus Dokumentationen, Spielfilmen, Podiumsrunden.

Eindrücklich-Lakonisches war bisher darunter. „Wir da oben in den Bergen“ etwa, ein entschleunigter Ausflug zu einer Älpler-Familie im Schächental – die Familie als einziges, radikal verdichtetes soziales System knapp unterhalb der Baumgrenze, abgesehen von einigen Kühen und Ziegen. Oder die Langzeit-Doku „Die Kinder von Seelscheid“, ein Schuljahr lang begleitete ein Team der „nano“-Redaktion eine ganz normale erste Klasse aus einer ganz gewöhnlichen Kleinstadt, und das ohne den Voyeurismus der Supernanny.

Genau Letzterer allerdings fehlt der 3sat-Themenwoche. Anders gesagt: Das eigene Medium ist der blinde Fleck der Sendereihe. Zwar thematisieren gelungene („Die Nestbauer – Männer in anderen Umständen“) und weniger gelungene („Muttertiere – Rabenmütter. Kinder, Karriere und Klischees“) Programmpunkte die zu oft noch immer statischen Rollenmodelle von Vätern, Müttern – und von Arbeitgebern und anderen gesellschaftlichen Institutionen. Selten aber wird danach gefragt, wie gerade das Fernsehen, dieses Leitmedium, tradierte Rollenmodelle reproduziert. Oder andererseits die pop- und multikulturell aufgeladene Patchworkfamilie zur idealen Lebensgemeinschaft hochjazzt, ohne sich wirklich um die realen Lebensbedingungen zu kümmern.

Aber vielleicht wird genau das ja heute Abend auf dem Diskursboulevard breitgetreten, wenn – wir haben es geahnt – Frank Schirrmacher in einem der vier „delta“-Sessel Platz nehmen wird (21 Uhr). Eine zwangsläufige Einladung sozusagen, scheint sich die 3sat-Reihe ihr Thema doch vom FAZ-Herausgeber geborgt zu haben. „Zukunft ohne Kinder?“ fragt das „Denk-Magazin delta“ denn auch ganz in dessen Sinne. Und es bleibt auf die gewohnte Gründlichkeit von Gastgeber Gert Scobel zu vertrauen, die die gebetsmühlenartige Selbstgefälligkeit Schirrmachers schon abwenden wird. Zudem ist der Mann ja noch auf Promotour für sein Buch „Minimum“.

Was wohl die Familiensoziologin Uta Meier-Gräwe und der Ethnologe Günther Schlee dem Publizisten erwidern werden? Und wie wohl Gert Scobels Überleitung zum anschließenden Spielfilm gelingt? Denn die deutsche Familienkomödie „Liebling, bring die Hühner ins Bett“ (22.25 Uhr) fügt sich ebenfalls in die „Väter, Mütter, Kinder“-Reihe.

Hingewiesen sei abschließend noch auf zwei Sendungen, die nicht ihr Verschwinden, sondern gerade ein Zuviel an Familie verhandeln: Dokumentationen aus dem Leben einer Großfamilie („Alle Neune – keine Angst vor vielen Kindern“, heute 20.15 Uhr) und stoisch überzeugter Nesthocker („Ich zieh nicht aus“, Freitag 18 Uhr).

Clemens Niedenthal