Die Blockade stört

VON GEORG BALTISSEN

Nach einer längeren internen Debatte hat sich die libanesische Regierung nun doch entschlossen, Deutschland um die Entsendung von Marine-Einheiten zu bitten. Diese Entscheidung sei am Montagabend im Ministerrat getroffen worden, erklärte ein Sprecher des libanesischen Regierungschefs Fuad Siniora gestern in Beirut. Noch am Montagabend habe Siniora Bundeskanzlerin Angela Merkel davon in Kenntnis gesetzt, dass die libanesische Regierung eine entsprechende Anforderung an die UNO richten werde, hieß es in Beirut. Doch solle die offizielle Anfrage, die zuerst an die Vereinten Nationen in New York gerichtet werden muss, erst dann abgesandt werden, wenn Israel die See- und Luftblockade des Libanon beendet hat.

Bislang hatte die israelische Regierung stets den Standpunkt eingenommen, die Blockade erst dann aufzuheben, wenn sichergestellt sei, dass mögliche Waffenlieferungen an die Hisbollah durch eine internationale Truppenpräsenz unterbunden werden könnten. Doch deutete UN-Generalsekretär Kofi Annan bei seinem gestrigen Besuch im ägyptischen Alexandria an, dass die See- und Luftblockade schon innerhalb der nächsten zwei Tage rückgängig gemacht werden könne. Nach einem Gespräch mit Ägyptens Präsident Husni Mubarak zum Abschluss seiner Nahostreise sagte Annan gestern, dass er innerhalb der nächsten 48 Stunden mit einer guten Nachricht aus Israel rechne. Unklar bleibt damit aber weiterhin, zu welchem Zeitpunkt die Blockade tatsächlich aufgehoben werden wird.

Die pro-iranische Hisbollah sieht dem geplanten deutschen Einsatz mit Skepsis entgegen. Hussein Hadsch Hassan, der für die schiitische Bewegung als Abgeordneter im Parlament sitzt, sagte zur Nachrichtenagentur dpa in Beirut: „Unsere Bedenken betreffen die deutsche Forderung, Boote zu durchsuchen, die den Libanon ansteuern, (…) denn diese Forderung beeinträchtigt die Souveränität des Libanons.“ Der Bundesregierung warf Hassan außerdem vor, sie vertrete einseitig die Interessen Israels.

Nach Angaben von Beobachtern könnte die bedingte Anfrage an die UNO eine Art Zugeständnis von Premier Fuad Siniora gegenüber der Hisbollah sein. Wenn es der libanesischen Regierung auf diese Weise gelänge, die israelische See- und Luftblockade aufzuheben, sei die beklagte Einschränkung der Souveränitätsrechte auch öffentlich zu vertreten. Indirekt stehe auch der Wunsch dahinter, dass die Bundesregierung sich in den Kreis derer einreihe, die Druck auf Israel ausüben, um die Blockade schnellstmöglich zu beenden. Sie wird von der Regierung in Beirut als Beeinträchtigung des Wiederaufbaus und der Versorgungslage im Libanon angesehen.

Ähnlich wie Deutschland will sich auch die Türkei mit Marineverbänden an der UN-Friedenstruppe beteiligen. Dies meldete die türkische Nachrichtenagentur NTV gestern unter Berufung auf Außenminister Abdullah Gül. Insgesamt sollen 1.000 türkische Soldaten zum Einsatz kommen. Sie könnten auch bei der Ausbildung libanesischer Armeeverbände eingesetzt werden. Das türkische Parlament wollte gestern in einer Sondersitzung über den Einsatz entscheiden.

Im Südlibanon sind gestern bei einem Bombenanschlag auf einen führenden Polizei-Ermittler im Mordfall Rafik Hariri vier Menschen ums Leben gekommen. Bei den Toten handelt es sich um Leibwächter des Geheimdienstoffiziers Samir Schehade, der selbst schwer verletzt wurde. Schehade war im August vergangenen Jahres an verantwortlicher Stelle an der Verhaftung von vier prosyrischen Generälen beteiligt, die in den Mordfall Hariri verwickelt sein sollen. Als Drahtzieher der Ermordung des früheren Ministerpräsidenten Hariri im Februar 2005 wird der syrische Geheimdienst verdächtigt. Die Ermittlungen werden von einem UN-Vertreter geleitet.