AM WANNSEE ENTSPANNEN
: Bitter, Jagdbitter

Ein einsames Plastikkrokodil schwimmt auf dem Rücken

„Achtung! Es gibt nichts Schöneres, Wohltuenderes und Erholsameres auf Erden, als Hartz-IV-Jahresurlauber zu werden!“ steht auf dem mit Brettern zugezimmerten Häuschen der Wasserrettungsstation Tiefenhorn am Wannsee. Wir wollen einen späten Badetag einlegen, noch wärmt die Sonne um die Mittagszeit, und wandern am See entlang auf der Suche nach einer Badestelle. Eigentlich wäre es hier ideal. Doch die Schimpftirade auf der verwitterten Fassade geht noch weiter: „Bei freier Kost und Logis und mit vielen Gratis-Extras natürlich auf Kosten der Steuerzahler und ohne Stress, Arbeit sowie frühes Aufstehen. Es ist wie im Paradies! Die soziale Hängematte!“

Auf dem Picknicktisch vor der Rettungsstation stehen vier kleine Fläschchen mit Jagdbitter und Mümmelmann herum. Noch voll. Wir gehen weiter.

Auf dem sandigen Uferweg kommen wir an einem jungen Mann mit einem Bullterrier ohne Leine vorbei. Kurz darauf wird der junge Mann von einem rasenden Herrn in Radlerhosen geschnitten: „Fick doch deine Mutter, du Affe!“, ruft der Mann mit Bullterrier ohne Leine.

Der Hund rennt dem radelnden Herrn hinterher. „Ich ruf das Ordnungsamt“, schreit dieser mit nicht sehr fest klingender Stimme. Vielleicht ist er aber auch nur außer Atem, weil er so fest in die Pedale treten muss, um den Hund abzuhängen. Kurze Zeit scheint das Rennen zwischen dem Radler und dem Bullterrier ein unentschiedenes, aber der Radler gewinnt schließlich und verschwindet aus unserem Sichtfeld.

Bei der nächsten Badestelle schlagen wir unser Lager auf. Eine Entenfamilie watschelt neugierig auf uns zu, ein einsames Plastikkrokodil schwimmt auf dem Rücken mit den Beinen nach oben auf dem See, ansonsten haben wir den Strand für uns. Ein scharfer Wind fegt durch die Bäume. Es fängt an zu regnen. Es wird Herbst. MAREIKE BARMEYER