Kein Kommentar!
: Das Orakel von Unterföhring

Vergessen Sie Kartenlegen und Im-Kaffeesatz-Lesen: ProSieben-Action-Filme sind das beste Mittel, um in die Zukunft zu schauen!

Als nach dem Seebeben am 26. Dezember 2004 riesige Wellen die Küsten von Indonesien, Sri Lanka, Indien und Thailand überfluteten, sind die Programmmacher bei ProSieben vom Stuhl gekippt, weil im Fernsehen plötzlich andauernd die Rede von Tsunamis war. Ein paar Wochen zuvor hatten sie sich in München noch gefragt hatten, ob die Zuschauer mit dieser Action-Eigenproduktion, die jetzt fertig vor Ihnen lag, überhaupt etwas anfangen könnten. In dem Film ging es um einen riesigen Tsunami, der Sylt überrollen sollte. Die Ausstrahlung war für Januar 2005 geplant und ist ziemlich schnell verschoben worden.

Der mäßig spannende Film ist dann ein paar Monate später gelaufen, als ProSieben längst einen neuen Katastrophenschocker in der Vorbereitung hatte, der „Tsunami“ noch übertreffen sollte: „Tornado – Zorn des Himmels“ (zweiter Teil heute um 20.15 Uhr). Die Idee: Wegen der Klimaveränderung kommt es auch in Deutschland zu verheerenden Wirbelstürmen. Im Film fegt ein Tornado durch Berlin, vorbei an Brandenburger Tor und Reichstag. Bei ProSieben erzählten sie stolz, wie realitätsnah das sei, weil sich große Rückversicherer schon seit längerer Zeit mit der Wirbelsturmproblematik für Deutschland beschäftigten. Wahrscheinlich wird es den Gesprächspartnern des Senders nicht so gefallen, dass der Versicherungsmann im Film jetzt ein skrupelloser Geschäftemacher ist, der bloß an das Wohl seines Unternehmens denkt und kein großes Interesse daran hat, die Bevölkerung zu warnen.

Egal. In Berlin ist nichts passiert. Aber dann kam Katrina und zerstörte New Orleans. Dreizehn Tage nachdem sich der Hurrikan aufgelöst hatte und das ganze Ausmaß der Katastrophe absehbar war, startete ProSieben die längst geplanten Dreharbeiten zu „Tornado“.

Ende November des vergangenen Jahres wurde die deutsche Archäologin Susanne Osthoff im Irak entführt – und bei ProSieben haben sie wieder den Kalender rausgeholt, um schon mal nachzusehen, was man statt der geplanten Eigenproduktion „Sechs Wochen Angst“ im darauffolgenden März zeigen könnte. Der Film mit Ellenie Salvo Gonzales, Katrin Saß und Tim Sander war gerade erst in Marokko abgedreht worden und sollte von der Entführung einer Deutschen im Irak handeln. Kein Scherz. Bisher ist der Film nur auf der Fernsehmesse in Cannes gelaufen, eine TV-Ausstrahlung sei frühestens Anfang 2007 geplant, heißt es auf Anfrage beim Sender.

Jetzt gäbe es also durchaus Gründe, sich davor zu fürchten, dass ProSieben demnächst ankündigt, eine deutsche Version von „Independence Day“ zu produzieren. Jedenfalls wäre es ratsam, sich für diesen Fall schon mal einen geeigneten Bunker zu suchen, in dem man sich vor tobenden Aliens verstecken kann.

Ganz so schlimm wird es nicht, beruhigen sie einen in München. Fürs kommende Jahr sei erst einmal „Feuersprung“ geplant, die Geschichte eines Großbrands im Berliner Fernsehturm. Vernünftige Touristen wissen jetzt, welchen Ort sie bei ihrer nächsten Städtereise besser meiden sollten. PEER SCHADER