Bizarr und billig und anarchisch

Erstmals werden in Deutschland die Pin Up Fotos des legendären Low-Budget-Regisseurs Russ Meyer gezeigt

„Wenn ich mich nicht so sehr für Busen interessiert hätte, hätte aus mir vielleicht ein großer Filmemacher werden können“. „Mein Freund Federico Fellini hatte dieselbe Vorliebe für üppige Frauen wie ich. Der Unterschied, sein Land ehrt ihn als großen Künstler“.

Die meisten Menschen kennen Russ Meyer als den Filmer von voluminösen Busen. In seinen 23 Trash-Filmen, sei es „Faster Pussycat, Kill! Kill!“ oder in seinem einzigen Mega-Erfolg „Vixen“ (mit einem Budget von rund 70.000 US-Dollar spielte der Film über sechs Millionen US-Dollar ein), übertreibt er dermaßen und oft bis an die Scham- und Peinlichkeitsgrenze, dass die Streifen wie eine Satire auf Sex wirken. Die Protagonistinnen der Filme, die drallen Kellnerinnen und Motorrad-Muttis, die trampenden Hippi-Hühnchen und die zuvor kommenden Hausmänner, die Stripperinnen und geilen Truck-Fahrer, die jungfräulichen Farmerstöchter, die sex-hungrigen Priester und die muskulösen Cowboys und und... – sie alle verkörpern die Fülle von Archetypen der US-amerikanischen Gesellschaft der 1950er Jahre.

Doch bei aller Gefangenheit in und Bevormundung durch die Stereotype weiblicher Handlungsmöglichkeiten als Sexobjekt: Die Frauen der Meyer-Filme nehmen ihr Schicksal irgendwie selbst und oft ganz unsexy und anarchisch brutal („Im tiefen Tal der Superhexen“) in die Hand. Und diesen Eindruck machen auch viele der Modelle seiner Pin-up-Fotos. Ein erfreuliches Selbstbewusstsein geht von ihnen aus, das die allein auf männliche Bedürfnisse hin zurechtgestutzte Sexyness überbietet, indem die Modelle ein – aus feministischer Sicht vielleicht etwas bizarres – Einverständnis und Wohlgefühl ahnen lassen. Sie scheinen mit ihrem nicht unbedingt immer perfekten Körper in Einklang zu sein und selbst blaue Flecken auf den drallen Oberschenkeln verhindern die freizügige Selbstdarstellung nicht. Die schönen Nackten auf den Fotos blicken die Betrachter herrlich selbstbewusst an, so dass selbst der kritisch-feministische Blick versöhnlich gestimmt sein sollte.

Im Übrigen aber können natürlich all diese historischen Artefakte als Material anthropologischer Forschung dienen. Bewusst sind in der Russ-Meyer-Ausstellung bei Van Horn die Filme ausgespart und in ein separates Programm verschoben. So wird der Blick auf den Fotografen Russ Meyer und seine schon hier, in den vermeintlich klischeesatten semipornographischen Bildern, erkennbare avantgardistische Radikalität gelenkt. In mehreren der Fotos hat Russ Meyer seine erste Frau Eve porträtiert. Der liebevoll-bewundernde Blick ist noch heute spürbar. Denn das alte Ferkel Meyer lässt den Modellen seiner Bilder den Freiraum, ihre vorgezeigte Nacktheit auch wieder zu verbergen. Und das ist schön.

In den Fotos, die nur zum Teil Auftragsarbeiten etwa für den Playboy waren, wird ersichtlich, dass Russ Meyer nicht nur die Ikonographie der Sexualität und die Wahrnehmung der Frau mitgeprägt hat, sondern dass er gleichzeitig in seinen maßlosen Überzeichnungen die Erwartungen an eben diese weibliche Rolle bricht, welche die Frau als passives Objekt einer Fleischschau vorsieht. Die omnipräsenten Titten sind ein Markenzeichen Russ Meyers; mit ihnen ist er zu einer Underground-Ikone geworden. Heute zählt er eindeutig zu den Pop Art-Künstlern, nicht zur Porno-Liga. KATJA BEHRENS

Galerie Van Horn, DüsseldorfBis 20. Oktober 2006Infos: 0211-5008654