Es wird zumindest diskutiert

KOLONIALES ERBE

Berlin zeigt sich problembewusst. Erst gibt am Mittwoch die Charité Gebeine von 21 Menschen an Namibia zurück, die während der Kolonialzeit von den Deutschen geraubt worden waren. Dann zeigt sich am Donnerstag der Senat offen, in der Landesverfassung das dort immer noch notierte Wort „Rasse“ zu streichen und dafür vielleicht doch lieber eine Diskriminierung „aus rassistischen Gründen“ zu verbieten. Ein konkretes Ergebnis zur Wortwahl gibt es noch nicht, aber es wird zumindest um die Begriffe diskutiert.

„Lasst uns unseren Kindern beibringen“, sagte der namibische Kulturminister Jerry Ekandjo bei der Gebein-Übergabe, „dass Rassismus böse ist in all seinen Facetten. Und ihn zu ignorieren, heißt nicht, dass es ihn nicht gibt.“ Er spielte während seiner Rede auf die Kolonialzeit an, die in Deutschland bis heute nicht richtig aufgearbeitet sei, und forderte, „Licht in dieses dunkle Kapitel zu bringen“.

Fünf der Menschen, deren Knochen zurückgegeben wurden, starben bei den Massakern deutscher Truppen zwischen 1904 und 1908 in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, der heutigen Republik Namibia. 2011 hatte die Charité die ersten 20 Gebeine an Namibia übergeben. Aber immer noch lagern tausende weiterer Knochen und Schädel in Berlin, die zur Kolonialzeit für rassistisch motivierte Forschung nach Deutschland gebracht wurden. Auch das ein Grund für die Proteste mehrerer NGOs am Mittwoch bei der Übergabe-Zeremonie der Charité. „Ich hoffe“, sagte Israel Kaunatjike vom Bündnis „Völkermord verjährt nicht“, „dass wir einen Weg finden, die Leute zu überzeugen und die Brüder und Schwestern, die hier in den Regalen liegen, nach Hause zu bringen.“

Zwar ist die Rückgabe der Gebeine ein Anfang der Wiedergutmachung. Eine offizielle Entschuldigung von Deutschland aber für den Völkermord an zehntausenden Menschen in Afrika gibt es bis heute – über hundert Jahre danach – nicht. Denn einer Entschuldigung müssten Reparationszahlungen folgen. Und denen verweigert sich Deutschland bisher.

SVENJA BEDNARCZYK