Die rheinische Frauenliga

Kritische Diskurse und ein neuer Blick auf die alte und neue Avantgarde. Frauen treten an, die Kunstszene aufzumischen. Sie leiten ab heute in Düsseldorf und demnächst in Köln die Kunstvereine

VON KATJA BEHRENS

Ab heute gibt es im Düsseldorfer Kunstverein eine neue Direktorin. Im Januar 2007 bekommt der Kölnische Kunstverein gleich zwei künstlerische Leiterinnen, die junge regionale mit internationaler Kunst, die Praxis mit Theorie vernetzen möchten.

Legende Blinky Palermo

Mit Vanessa Joan Müller (geb. 1968 in Hamburg) kommt eine im Kultur-System schon etablierte junge Kunsthistorikerin nach Düsseldorf. Sie hat ihre Erfahrungen im Frankfurter Kunstverein gesammelt, wo sie gut fünf Jahre lang zusammen mit dem damaligen Direktor Nicolaus Schafhausen Ausstellungen, Konferenzen und Publikationen organisiert und betreut hat. Als wissenschaftliche Leiterin der „European Kunsthalle“ ist sie seit November letzten Jahres aber schon in der Region tätig, und wird noch bis zum Ende der Gründungsphase des Kölner Modellprojekts im Mai 2007 dessen Programm mitgestalten. Die Ausstellungen, die Vanessa Joan Müller im weitläufigen Frankfurter Kunstverein mit kuratiert hat, waren neben international etablierten Einzelpositionen in erster Linie thematische Gruppenausstellungen, die oft in den gesellschaftspolitischen Bereich hinausragten. Düsseldorfs bisherige Kunstvereins-Direktorin Rita Kersting, obschon sie in erster Linie künstlerische Einzelpositionen ausstellte, habe mit ihrer Arbeit „eine gute Plattform“ bereitet, so die neue Leiterin. Sie möchte versuchen, daran anzuknüpfen, aber zugleich auch Neues wagen. Es könnte also sein, dass in Düsseldorf nun eine verstärkte Konzentration auf den theoretischen Bezugsrahmen der avantgardistischen Kunst und auf die Formate Film und Video und deren Referenzsystem zu erwarten ist. Ebenso wie etwa der Blick auf die künstlerische Dynamik der Gruppe und ihr Kontext. Spannend wird dies auf jeden Fall sein. Die erste Ausstellung, die die neue Direktorin in Deutschlands größtem Kunstverein Anfang 2007 ausrichten wird, trägt den Titel „Die Wörter – die Dinge“. Daneben ist eine Kooperation mit der Kunsthalle zum 40-jährigen Geburtstag der Kunsthalle am Grabbeplatz geplant: Eine Retrospektive für Blinky Palermo, die „mythische Figur der Nachkriegs-Kunst“.

Für die junge Avantgarde

Ebenfalls aufregend könnte es demnächst in Köln zugehen. Es klingt nämlich so, als wollten die beiden neuen Kunstvereinsleiterinnen, die ab Januar 2007 gemeinsam die Geschicke des Vereins in die Hand nehmen wollen, an eine glanzvolle Epoche der jüngeren Kölner Avantgardebewegung anschließen. An die Zeit als in den 1980er und frühen 1990er Jahren die lokale Kunst-, Musik- und Theorie-Szene in gegenseitiger Durchdringung und Protektion miteinander verstrickt war, als mit Martin Kippenberger, Jutta Koether und Albert Oehlen theoretisiert und, vor allem, gefeiert wurde. Und als die Zeitschriften Spex und Texte zur Kunst einen wesentlichen Beitrag leisteten, die Kölner regionale mit der internationalen Kunstszene kurzzuschließen.

Anja Nathan-Dorn (geboren 1971) und Kathrin Jentjens (geboren 1978) sehen ihre Aufgabe als Doppelspitze des Kölnischen Kunstvereins vor allem darin, die junge Kölner Kunstszene und den Kunstverein wieder und noch stärker zu verbinden. Dabei ist auch von Interesse, dass die architektonische Struktur des Riphahnhauses „Die Brücke“ Einfluss haben soll auf das Programm, das hier geplant ist. Dem glücklichen Umstand, dass es neben Ausstellungs- und Atelierräumen auch einen Kino- und einen Theaterraum dort gibt, soll mit Performances, Theaterinszenierungen, Tanz- und Musikaufführungen Rechnung getragen werden. So sollen vermehrt auch künstlerische Produktionsprozesse und Positionen in den Fokus rücken, „die sich dem Format “Ausstellung“ entziehen“. Damit kann an die Tradition der Institutionen und Ausstellungsorte angeknüpft werden, die in Köln schon vor zwanzig Jahren als „offene Räume“ einen freien Umgang mit kritischen Positionen einforderten.

Die Szene als Konflikt

In Köln hat Anja Nathan-Dorn unter anderem den Projektraum „April“ mitgegründet und schon das Atelierprogramm des Kunstvereins betreut. Außerdem, und das mag freilich ein für manchen bedenklicher Hinweis sein, schreibt sie als Kritikerin für Texte zur Kunst und war bis 2005 Direktorin der Galerie Christian Nagel in Köln. Zwei Tätigkeiten, die sie, eben wegen der engen Verbindung zur alten Kölner Szene, als eine zwielichtige Gestalt erscheinen lassen könnten. Hier ist eine kluge Politik besonders gefragt. Vielleicht kann Kathrin Jentjens, die zuletzt das Künstlerstipendium „Just“ in Düsseldorf leitete, mit ihrer (bislang nur vermuteten) Unabhängigkeit nötigenfalls als Korrektiv wirken.