Wasserstoff für den Wohnpark

Die Brennstoffzellen-Technik schreitet voran. Neue Anlagen versorgen ganze Siedlungen mit Wärme und Strom

VON TORSTEN SCHÄFER

Es ist eine Entdeckung auf den zweiten Blick: Niemand würde vermuten, dass hinter der Glaswand des eleganten Baus in Krefeld-Fischeln die Energietechnik der Zukunft getestet wird. „Den Nachbarn gefällt das Kraftwerk“, sagt Ingenieur Arno Gedigk von der Fernwärmeversorgung Niederrhein. Die betreibt seit 2005 in Krefeld ein Brennstoffzellenkraftwerk. Ein Architekt sollte die Anlage möglichst ansprechend gestalten – mit Erfolg.

Europaweit wird in Krefeld-Fischeln erstmals getestet, ob eine Hochtemperatur-Brennstoffzelle dauerhaft Wärme und Strom für eine Siedlung liefern kann. In Pilotprojekten haben bisher kleinere Brennstoffzellen Energie für einzelne Gebäude erzeugt. Sie waren oft störungsanfällig. Das Krefelder System läuft hingegen störungsfrei. „Die Brennstoffzelle läuft auch leiser als vermutet. Wir haben gezeigt, dass Brennstoffzellen Wohngebiete mit Energie versorgen können“, sagt Gedigk.

Eine Hochtemperatur-Brennstoffzelle macht in Krefeld aus Wasserstoff Strom, mit dem jährlich 430 Wohneinheiten versorgt werden können. Mit Hilfe der Kraft-Wärme-Kopplung liefert die Zelle im Winter Heizenergie für 40 Haushalte. Im Sommer reicht es für 300 Haushalte. Ähnlich wie bei Batterien wandelt die Brennstoffzelle chemische in elektrische Energie um. Erdgas wird dafür soweit gereinigt, dass Wasserstoff übrig bleibt, mit dem die Zelle betrieben wird. Bei einer Betriebstemperatur von 650 Grad erzeugt sie Gleichstrom, der in Wechselstrom umgewandelt wird.

Das Kraftwerk stößt im Vergleich zur vorher verwendeten Heizkesselanlage 1.400 Tonnen weniger Kohlendioxid im Jahr aus, was dem Verbrauch von 140 Haushalten entspricht. “Der Schadstoffausstoß ist im Vergleich zu gängigen System äußerst gering“, erklärt Angelika Heinzel, Leiterin des Zentrums für Brennstoffzellentechnik in Duisburg.

Noch ist europaweit aber kein Markt für die Hochtemperatur-Zellen entstanden. Mit der Münchner Firma MTU gibt es bundesweit nur einen Produzenten. Eine MTU-Zelle ist neben Krefeld auch in Hamburg im Einsatz, wo sie Strom und Wärme für Gebäude in der Hafencity liefert. Doch noch sind die Kosten für die Massenherstellung bei Preisen von bis zu zwei Millionen Euro für den Brennstoffzellenantrieb zu hoch. „Ohne Förderung können bislang keine Anlagen betrieben werden. Nur über die Massenproduktion werden die Preise sinken“, erklärt Heinzel.

Die Fachleute gehen davon aus, dass sich in der EU ab 2010 ein Markt entwickeln kann. In Krefeld-Fischeln wird das Kostenproblem deutlich: 3,2, Millionen Euro mussten für den Start der Anlage investiert werden. 900.000 Euro Förderung kamen von der NRW-Landesregierung. Ein anderes Problem ist die Haltbarkeit der Zellen: Die Nachfrage nach Brennstoffzellen-Kraftwerken wird erst steigen, wenn ihre Laufzeiten zunehmen. Die Krefelder Anlage wird höchstens noch drei Jahre laufen, danach ist der Antrieb verbraucht. „Eine Laufzeit von zehn Jahren wäre ideal“, sagt Heinzel.

Im Kompetenznetzwerk für Brennstoffzellen der nordrhein-westfälischen Landesregierung wollen Ingenieure die Laufzeiten erhöhen. Die Düsseldorfer Regierung hat bereits 60 Millionen Euro in die Entwicklung von Brennstoffzellen gesteckt, die einmal zum Exportschlager des so genannten Energielandes NRW werden sollen. „Wir sind bundesweit führend“, sagt Frank Koch, Leiter des Kompetenznetzwerks. Verschiedenste Systeme wurden entwickelt: Brennstoffzellen versorgen nicht nur Gebäude mit Energie, sondern auch Gabelstapler, Lastenfahrräder oder Notstromsysteme. Solche Entwicklungen sollen in den nächsten zwei Jahren auf den Markt kommen.

Das größte Potenzial für die Brennstoffzellenkraftwerke steckt aber in der Energieerzeugung. Koch ist sich sicher: „Brennstoffzellen werden künftig eine bedeutende Rolle in der Energieversorgung spielen.“ Alternative Energiequellen sind besonders interessant und umweltschonend: Brennstoffzellen werden in Ahlen und Köln schon erfolgreich mit Klärgasen betrieben. Große Chancen birgt auch die Landwirtschaft, weil Hochtemperatur- Brennstoffzellen auch mit Biogas arbeiten können, das durch die Vergärung von Bioabfall und Gülle oder die Vergasung von Pflanzen entsteht.

Die RWE Brennstoffzellen-Tochter Fuel Cells - auch in Krefeld beteiligt - hat jetzt im schwäbischen Leonberg zum ersten Mal eine Brennstoffzelle mit einer Biogasanlage kombiniert. Entwickelt sich ein Markt für leistungsstarke Brennstoffzellen, könnten Biogase zunehmend in den besonders effizienten Brennstoffzellen verbrannt werden. Deren Energienutzungsgrad liegt bei 80 bis 90 Prozent. „Der Biogas-Bereich ist vielversprechend“, sagt Horst Mertikat von RWE Fuel Cells. „Hier gibt es bereits viele Unternehmensanfragen.“