KOMMENTAR VON ERIC BONSE ZU DEN REAKTIONEN DER EU AUF DIE KRISE IN DER UKRAINE
: Widersprüchliche Signale aus Brüssel

Auch zu Hause in Brüssel und bei den neuen Freunden in Kiew ist einiges schiefgelaufen

Angst ist kein guter Ratgeber. Wut auch nicht. Doch es ist ausgerechnet eine Mischung aus Angst und Wut, die die EU-Reaktion auf die Ukrainekrise beherrscht. Angst vor einer militärischen Aggression der Russen, Wut über die eigene Ohnmacht. Das Ergebnis ist jämmerlich – und gefährlich.

Denn entweder handelt es sich auf der Krim wirklich um eine russische „Aggression“, wie die EU-Außenminister proklamieren. Dann kann man sich nicht mit halbgaren „Sanktionen“ wie der Unterbrechung von Visa-Verhandlungen begnügen. Dann muss man Putin direkt und hart treffen, die USA machen es vor.

Oder es geht um etwas anderes. Dann muss man Emissäre nach Moskau schicken, um die Sache so schnell wie möglich aufzuklären. Die Europäische Union ist sich offenbar nicht ganz sicher und hat Gesprächskanäle offengehalten. Gleichzeitig setzt sie Putin aber ein Ultimatum bis zum Sonder-EU-Gipfel am Donnerstag – und mindert so die Erfolgschancen.

Besser wäre es, erst einmal reinen Tisch zu machen. Zu Hause in Brüssel und bei unseren neuen Freunden in Kiew. Da ist nämlich einiges schiefgelaufen in den letzten Wochen. Die Ukrainer haben nicht die Regierung des Neuanfangs bekommen, die sie sich gewünscht haben. Der Maidan wurde von den alten Cliquen und Clans übernommen, viele fühlen sich verraten

Und die EU hat die Augen davor verschlossen, dass die neuen Machthaber die Absprachen gebrochen haben. Sie haben keine „inklusive“ Regierung gebildet, wie sie versprochen hatten. Sie haben auch nicht die Nationalisten schachmatt gesetzt. Die braune Swoboda-Partei stellt sogar mehrere Minister, einen Vizepremier und den Generalstaatsanwalt.

Das ist eine schwere Hypothek für die Ukraine – und eine Provokation für Russland. Erst wenn die EU diese Fehler korrigiert, wird sie eine weitere Eskalation verhindern können. Erst dann wird sie Putin auch glaubhaft entgegentreten können.

Doch offenbar glauben einige, die Rechnung ganz ohne Putin machen zu können. Sie haben den amtierenden ukrainischen Premier Jarzenjuk nach Brüssel eingeladen, und sie wollen Russland isolieren. Damit gießen sie Öl ins Feuer – und durchkreuzen die deutsche Strategie der Deeskalation. Beim EU-Gipfel am Donnerstag wird sich zeigen, wer gewinnt. Derzeit sieht es so aus, als könnten die Scharfmacher siegen.