Erst senden, dann fragen, dann schweigen

SENSATIONEN US-Medien beginnen, sich über ihre eigene Rolle beim Entstehen des Skandals um Terry Jones Gedanken zu machen. Sollten doch Korane verbrannt werden, wollen sie davon keine Bilder senden

BERLIN taz | Am Tag vor der geplanten, dann wieder abgesagten, dann vielleicht doch nicht abgesagten und also ungewissen Koran-Verbrennungsaktion des Terry Jones beginnen die Medien in den USA, sich über die eigene Rolle bei der Debatte auseinanderzusetzen. Wie konnte es ein radikaler Pastor einer winzigen Gemeinde, mithin eine völlig unwichtige Figur selbst in den religiös so aufgeladenen USA, in die Schlagzeilen schaffen?

Die Aufarbeitung dauert an. In seinem Medienblog bei washingtonpost.com stellt Howard Kurtz erstaunt zusammen, wie sich die Geschichte von einer Randnotiz auf Seite 14 der New York Times am 26. August bis zu Warnungen und Verurteilungen des US-Oberbefehlshabers David Petraeus in Afghanistan und Präsident Obamas selbst hatte mausern können. „Warum muss die Welt den Possen eines obskuren Bücherverbrenners in Florida folgen? Man kann sagen, wir berichten nur über die Geschichte, aber erst unser vereintes Megafon hat sie zu einer internationalen Geschichte gemacht.“ Schon aber haben die ersten Medien intern klargestellt, die Berichterstattung über Jones und die mögliche Verbrennung so klein zu fahren wie möglich. Die Agentur AP in einem internen Memo: „Sollte das Event am Samstag wirklich stattfinden, wird AP keine Fotos oder Tonaufnahmen verbreiten, auf denen brennende Korane zu erkennen sind, und keine detaillierten Beschreibungen brennender Korane.“ Im Übrigen werde man über das Vorhaben einer rund 50-köpfigen Gruppe in Gainesville so berichten, wie es ihrer Bedeutung entspreche.

Auch die Nachrichtensender Fox News und CNN haben angekündigt, keine Aufnahmen von Koran-Verbrennungen um die Welt senden zu wollen. Bill Keller, leitender Redakteur der New York Times, sagt im eigenen Blatt, die Zeitung habe „keine spezielle Politik, Dinge nicht zu veröffentlichen, die irgendjemanden beleidigen könnten – viele Leute sind von vielen Dingen beleidigt –, aber wir versuchen, von großflächigen Beleidigungen abzusehen, wenn ihre Veröffentlichung nicht irgendeinen erkennbaren journalistischen Sinn ergibt.“

Obwohl niemand erwartet, dass die Affäre zu nachhaltigen Verhaltensänderungen führt, ist jetzt doch der Moment zum Nachdenken. Die New York Times zitiert ABC-News-Moderator Chris Cuomo: „Ich gehöre zu den Medien, aber ich glaube, die Medien haben diese Florida-Verbrennungen erst zum Leben erweckt.“ BERND PICKERT