„Wir wollen kein vergiftetes Geschenk“

Dass die Regierung längere AKW-Laufzeiten als Hilfe für die erneuerbaren Energien verkauft, findet Björn Klusmann dreist: Bedrohlicher Realitätsverlust

■ ist seit März 2008 Geschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbare Energie, für den er bereits seit gut vier Jahren tätig ist. Zuvor war er Koordinator der Landesarbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie NRW.

INTERVIEW MALTE KREUTZFELDT

taz: Herr Klusmann, darf ich Ihnen gratulieren?

Björn Klusmann: Gern – aber zu was denn?

Die Bundesregierung hat doch laut Umweltminister Norbert Röttgen gerade das weltweit anspruchsvollste Förderprogramm für erneuerbare Energien beschlossen. Ihre Branche müsste also jubeln.

Schön wär’s. In Wahrheit hat die Regierung das anspruchsvollste Förderprogramm für die Atombranche beschlossen. Die vier großen Stromkonzerne kriegen Milliardengeschenke, von denen sie – vielleicht – ein bisschen was zurückzahlen. Für die erneuerbaren Energien ist der Beschluss ein großer Rückschritt.

Aber immerhin soll Ihre Branche doch 15 Milliarden Euro von den Atom-Gewinnen abbekommen.

Zum einen ist diese Summe bisher alles andere als sicher. Zum anderen brauchen wir ein solches vergiftetes Geschenk nicht. Selbst wenn in den nächsten 30 Jahren tatsächlich insgesamt 15 Milliarden fließen würden: Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, wird in unsere Branche ohnehin fast so viel investiert – und zwar jedes Jahr!

Aber dass es bei der Entwicklung von Speichertechnologien und beim Ausbau der Netze hapert, ist doch eine Tatsache. Kann das Geld wenigstens dort helfen?

Natürlich muss beim Speichern mehr getan werden – aber dazu steht im Energiekonzept nichts Konkretes. Und der Netzausbau krankt nicht am Geldmangel, sondern daran, dass die Netzbetreiber das Wachstum der Erneuerbaren seit Jahren unterschätzt haben – was die Regierung jetzt mit ihren Szenarien fortsetzt. Insgesamt brauchen wir nicht mehr Geld, sondern verlässliche Rahmenbedingungen. Das Einknicken der Koalition vor der Atomlobby stellt jedes Bekenntnis zum Wachstum der erneuerbaren Energien infrage.

Wieso? Die Regierung behauptet, dass Atomkraft und Erneuerbare sich prima ergänzen.

Kernkraftwerke können ihre Leistung kurzfristig nicht ausreichend drosseln, wenn Wind und Sonne viel Strom liefern. Das ist eine Tatsache, aber diesen Systemkonflikt bestreiten Union und FDP einfach. Das erinnert mich an kleine Kinder, die denken, wenn man sich die Augen zuhält, ist die Wirklichkeit nicht mehr da. Bei den Zahlen zeigt sich aber, dass die Regierung dies selbst nicht glaubt: Denn während sie bei Atomkraftwerken in den nächsten Jahren von fast voller Leistung ausgeht, setzt sie die Stromproduktion etwa für Windkraft viel geringer an, als sie eigentlich könnte. Sie rechnet das Potenzial systematisch klein. Das Maximalziel, das für Windanlagen an Land für 2050 angenommen wird, können wir schon deutlich vor 2020 erreichen.

Wo ist dann das Problem? Weil erneuerbare Energien grundsätzlich Vorrang haben, werden Sie Ihren Strom doch auf jeden Fall los.

Das ist vom Grundsatz her richtig – noch. Denn Sie können sicher sein, dass dieser Vorrang infrage gestellt wird, wenn die Laufzeitverlängerungen Realität werden und es dadurch regelmäßig zu viel Strom im Angebot gibt. Die ersten Atomkonzerne erheben jetzt schon entsprechende Forderungen. Wenn es dazu kommt, wäre das Wachstum der Erneuerbaren schlagartig vorbei.

Warum sind Sie mit Ihren Argumenten nicht durchgedrungen, obwohl Röttgen wie Merkel sich doch stets zu den Erneuerbaren bekennen?

Die Regierung hat für dieses Energiekonzept im Wesentlichen mit vier Konzernen geredet. Obwohl bei uns zehnmal so viele Menschen arbeiten wie im Atomsektor, kommt die Sichtweise der Erneuerbaren nicht ausreichend vor. Über das Ergebnis darf man sich dann nicht wirklich wundern.

Wie kommt’s? Ist Ihre Lobbyarbeit zu schlecht? Oder spenden Sie zu wenig?

Wir zahlen als Verbände überhaupt keine Parteispenden, und wir schalten auch keine großen Anzeigen. Diese Regierung ist mit der klaren Ansage angetreten, dass sie die Laufzeiten verlängert. Da ist es dann nur konsequent nur mit denen zu sprechen, die einem Argumente dafür liefern.

Was für Möglichkeiten sehen Sie denn dann, Ihre Branche zu retten?

Wir setzen darauf, den Dialog mit den Parlamentariern zu führen, die diesen Atomdeal sicher nicht einfach abnicken wollen. Zudem ist ja die Mehrheit der Menschen gegen längere Laufzeiten. Darum rufen wir gemeinsam mit anderen Organisationen dazu auf, zur Demonstration am 18. September auf die Straße zu gehen – statt sich nur allein zu Hause über die Fehlentscheidung zu ärgern. Wir brauchen ein klares Signal, dass es für diese Politik keine Mehrheit gibt.