Koreanisches Bildungsfieber

BERLIN taz | In Südkorea haben heute in der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen 58 Prozent einen Hochschulabschluss. Damit liegt das ostasiatische Land an der Spitze der in der jüngsten OECD-Bildungsstudie untersuchten Länder. Koreas Erfolg ist umso beeindruckender, als der Anteil der Hochschulabsolventen in der Altersgruppe der 55- bis 64-Jährigen nur 12 Prozent beträgt, das Land also in dieser Gruppe zum letzten Drittel zählt. Korea machte damit innerhalb von nur ein bis zwei Generationen den größten Sprung unter allen untersuchten Staaten. Dieser Fortschritt ist umso deutlicher, wenn bedacht wird, dass in Korea 1945 am Ende der japanischen Kolonialzeit die Alphabetisierungsrate nur ganze 22 Prozent betragen hatte.

Koreas große Fortschritte basieren vor allem auf der Einstellung der konfuzianisch geprägten Bevölkerung, die Bildung als wichtigstes Mittel sozialer Mobilität begreift und bereit ist, dafür tief in die Tasche zu greifen. Koreanische Eltern sind von Bildung geradezu besessen und scheuen keine Kosten, um ihren Kindern den Zugang zu den Eliteuniversitäten des Landes oder einem prestigeträchtigen Auslandsstudium zu ermöglichen. Korea liegt bei den privaten Ausgaben für Bildung denn auch im Spitzenbereich.

Der Zugang zu Koreas Top-Universitäten Seoul National, Korea und Yonsei ist extrem hart umkämpft. Wichtig ist, eine solche Uni im Lebenslauf nennen zu können, die Note eines dortigen Abschlusses ist zweitrangig. Um die „Prüfungshölle“ genannte Schulzeit überstehen zu können, nehmen koreanische Oberschüler deshalb zu 80 Prozent privaten Zusatzunterricht. 16 Stunden Pauken täglich, je zur Hälfte in der staatlichen Schule und im Privatunterricht, ist für koreanische Schüler eher die Norm als die Ausnahme.

Mangelnde Kreativität

Koreaner schneiden in internationalen Schulvergleichstest immer dann sehr gut ab, wenn es um das Beherrschen von auswendig gelerntem Wissen geht. In Fächern, die Kreativität und eigenständiges Denke verlangen, sind sie dagegen blass. Bis vor Kurzem war es normal, dass koreanische Schüler und Studierende die englische Grammatik sehr gut beherrschten, aber unfähig waren, ein einfaches Gespräch in dieser Fremdsprache zu führen. Darauf wird seit kurzem Wert gelegt.

Trotz ihrer Erfolge waren Koreas Universitäten bisher sehr unattraktiv für Ausländer. Nur 1,3 Prozent der Studierenden kommen aus dem Ausland (OECD-Durchschnitt 8,5 Prozent). Doch verzeichnet Korea hier zwischen 2000 und 2008 den höchsten Zuwachs. SVEN HANSEN