Afghanische Beamte misstrauen der Kabul Bank

AFGHANISTAN Der Korruptionsskandal bei der Kabul Bank blamiert erneut den Westen am Hindukusch

Kann die Bank afghanischen Soldaten den Sold nicht mehr auszahlen, droht Chaos

VON AGNES TANDLER

DUBAI taz | Die langen Menschenschlangen vor dem gläsernen Gebäude der Kabul Bank zeugen von großem Vertrauensverlust. Denn die Kunden der größten afghanischen Bank fürchten um ihre Ersparnisse, nachdem immer mehr Berichte über Veruntreuung und Korruption in dem privaten Geldhaus die Runde machen und den Beteuerungen der Regierung niemand mehr traut.

Die beiden Topmanager des Instituts, Sherkhan Farnud und Khalilullah Ferozi, die jeweils 28 Prozent der Bank besitzen, waren vergangene Woche offenbar abgesetzt worden. Farnud wurde angewiesen, Immobilien im Wert von 160 Millionen US-Dollar zurückzugeben, die er im Namen der Bank in der arabischen Metropole Dubai erworben hatte und die sich nach dem Platzen der dortigen Immobilienblase als Fehlspekulation erwiesen.

Insgesamt soll die Bank 300 Millionen Dollar in riskanten und dubiosen Deals verloren haben. Sie soll auch an Transfers nach dem Hawala-System beteiligt gewesen sein. Solche nur auf Vertrauen basierende Transfers, die für Bewohner von Failed States überlebenswichtig sind, hinterlassen keine Spuren und sind damit ideal für illegale Transfers. Die Bank soll auch großzügig Geld an einflussreiche Politiker geliehen haben: Berichte sprechen davon, dass 100 Millionen Dollar allein an Hasin Fahim, den Bruder des afghanischen Vizepräsidenten Mohammed Fahim, geflossen sein sollen. Auch die Familie von Afghanistans Präsident Hamid Karsai soll reichlich bedacht worden sein: Karsais Bruder, Mahmud Karsai, ist drittgrößter Teilhaber der Bank. Er soll sich das Geld dafür von der Bank selbst geliehen haben.

Afghanistans Zentralbank hat nun einen Verkaufsstopp für allen Grundbesitz der Bankanteilsinhaber erlassen, um die vor der Pleite stehende Bank zu retten. Doch Mahmud Karsai ist davon unberührt, weil er nach eigenen Aussagen keinerlei Eigentum in Afghanistan besitzt. „Es gibt kein Stück Land in meinem Namen“, behauptet er. Mahmud verbringt die meiste Zeit ohnehin in Dubai, wo er in einer 5 Millionen Dollar teuren Villa wohnt, die er mit Krediten der Kabul Bank erworben haben soll.

Der Bankenskandal ist ein weiterer Rückschlag des Westens im Bemühen um ein stabiles und weniger korruptes Afghanistan. Ein Bankrott der Kabul Bank würde die ohnehin fragile Sicherheitslage im Land verschlimmern. Denn das Finanzinstitut, das rund eine Million Kunden hat, zahlt alle Gehälter der Staatsangestellten sowie der afghanischen Armee aus. Wenn Soldaten und Beamte kein Geld mehr bekommen, sind Unruhen und Proteste nicht weit.

Ohnehin geht gerade die Fastenzeit in Afghanistan zu Ende und die meisten Menschen sind erschöpft und leicht irritierbar. Das Eid-Fest, welches das Ende des Ramadan markiert, steht vor der Tür. Das Fest ist vergleichbar mit Weihnachten und die Leute brauchen Geld für Geschenke, Festessen und neue Kleidung.

Zwar verkündeten die USA bereits, sie würden keine Rettungsaktion der Bank finanzieren. Doch wenn afghanische Soldaten auf die Straße gehen, könnten sie Washingtons Position rasch revidieren. Ausschreitungen und Aufstände wütender Militärs kann sich der Westen in Afghanistan nicht leisten. In weniger als zwei Wochen soll zudem ein neues Parlament gewählt werden. Die Armee wird dringend für die Absicherung der Wahl gebraucht. Die aufständischen Taliban haben bereits angekündigt, alles zu tun, um den Urnengang zu stören.