Höhere Kosten befürchtet

STUTTGART 21 Nach Angaben der Grünen wird die Neubaustrecke nach Ulm mehr als 5 Milliarden Euro verschlingen. Erneut gehen zehntausende Gegner auf die Straße

Die Projektgegner wollen sich nicht über den runden Tisch ziehen lassen

AUS STUTTGART NADINE MICHEL

Die Kosten für die im Zusammenhang mit dem Großprojekt „Stuttgart 21“ geplante ICE-Trasse Wendlingen–Ulm werden nach Angaben der Grünen noch weiter explodieren. Nach einem Bericht des Spiegels könnte die Neubaustrecke um mindestens 2 Milliarden Euro teurer werden als von der Deutschen Bahn berechnet. „Ich gehe davon aus, dass die Strecke am Ende mehr als 5 Milliarden Euro kosten wird“, sagte der Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Bundestags, Winfried Hermann (Grüne), dem Magazin. Am Mittwoch wollen die Grünen ein entsprechendes Verkehrsgutachten in Stuttgart vorstellen. Die Bahn widersprach diesen Zahlen und verwies auf das Ende Juli vorgelegte Gutachten. Darin hatte das Unternehmen und die Landesregierung die Kostenschätzung um 865 Millionen nach oben geschraubt. Statt 2 Milliarden Euro werde die Strecke 2,9 Milliarden Euro kosten.

Unterdessen reißen die Demonstrationen gegen „Stuttgart 21“ nicht ab. Nach Veranstalterangaben gingen am Freitagabend 65.000 Menschen auf die Straße. Sollte diese Zahl stimmen, die zumindest realistischer erscheint als die 30.000, von der die Polizei sprach, hätte das Aktionsbündnis erstmals fast die Masse mobilisiert, die einst mit 67.000 Unterschriften einen Bürgerentscheid über den neuen Tiefbahnhof gefordert hatte.

Es dauerte fast eine Stunde, bis das Ende des Protestzuges den Schlossgarten verlassen hatte. An der Spitze unterstützte dieses Mal der Langstreckenläufer Dieter Baumann den Protest. Das Bild hinter ihm war bestimmt von tausenden grünen Luftballons, die die Veranstalter zugunsten einer Rechtshilfe für Aktivisten verkauft hatten. Als die Dämmerung einsetzte, zündeten zudem viele Demonstranten Laternen und Windlichter an.

Auf der abschließenden Kundgebung im Schlossgarten erklärte der Sprecher der Initiative „Bahn für alle“, Winfried Wolf, man werde sich „nicht über den runden Tisch ziehen lassen“. Zu diesem hatten Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) und der Chef der Grünen Landtagsfraktion, Winfried Kretschmann, gemeinsam eingeladen. Am Freitag soll es ein erstes Sondierungsgespräch zwischen den Projektträgern und Vertretern der Gegner geben, darunter auch Gangolf Stocker von der Initiative „Leben in Stuttgart“. Er betonte auf der Kundgebung allerdings: „Ab Montag möchte ich keine Abrissarbeiten oder sonst irgendwelche Arbeiten auf der Baustelle sehen. Sonst wird das nichts mit Sondierungsgesprächen.“

Sollte es zu dem Treffen kommen, werden für die Befürworter Ministerpräsident Mappus teilnehmen, Landesverkehrsministerin Tanja Gönner, Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (alle CDU), Bahn-Chef Rüdiger Grube sowie Projektsprecher Wolfgang Drexler und Städtetagspräsident Ivo Gönner (beide SPD). Die Gegner benannten die Grünen-Politiker Kretschmann, die verkehrspolitischen Sprecher Werner Wölfle (Landtagsfraktion) und Winfried Hermann (Bundestagsfraktion). Neben Stocker nehmen außerdem Gerhard Pfeifer vom BUND, Klaus Arnoldi vom Verkehrsclub Deutschland, Sabine Lacher vom Fahrgastverband Pro Bahn und ein noch nicht bestimmter Vertreter der sogenannten Parkschützer teil.

Indes hat die Landesvorsitzende der baden-württembergischen Grünen, Silke Krebs, angekündigt, ihre Partei werde nicht mit dem Versprechen in den Landtagswahlkampf im März nächsten Jahres gehen, „Stuttgart 21“ noch zu stoppen. „Ich sage ganz offen: Das können und werden wir auch nicht versprechen“, erklärte Krebs am Freitag im Südwestrundfunk.