Dekadenz als Marketing-Strategie

Kein Ermittlungsverfahren. Madonna durfte in Düsseldorf legal ihre teure Show als Gesellschaftskritik verkaufen

Madonna braucht in Nordrhein-Westfalen das Gefängnis nicht zu fürchten. „Wir werden kein Ermittlungsverfahren gegen Madonna einleiten“, sagte Staatsanwalt Johannes Mocken gestern. Die US-Sängerin mit italienischen Wurzeln hatte trotz vorheriger Proteste (taz berichtete) am Wochenende ihre umstrittene Kreuz-Performance auf der Bühne gezeigt. Mit Dornenkranz ließ sie sich zu „Live to tell“ am christlichen Symbol emporziehen. „Sich als Christus darzustellen, ist eine Anmaßung ohnegleichen“, urteilte das Erzbistum Köln. 45.000 Menschen in der ausverkauften Düsseldorfer Arena finanzierten Madonnas „Confessions“-Spektakel, das mit Religionskritik richtig Kasse machen soll. Sie will schließlich auch in diesem Jahr mit dem neuen Album zur bestverdienenden Musikerin der Welt werden.

Damit nicht genug. Auch das Leid von Millionen Kindern, die in Afrika durch Aids zu Waisen wurden, werden Club-Sound-Thema. Auf der Bühne kämpfen dazu noch zwei Tänzer miteinander, der eine mit Judenstern, der andere mit dem islamischen Halbmond auf der nackten Brust. Dahinter Schnellschnitt-Videos mit US-Präsident George Bush und dem britischen Premierminister Tony Blair gleich hinter Hitler, Pinochet und Mahmud Ahmadinedschad. Die Darstellung sei zwar äußerst provokativ, aber nicht strafbar, so die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft nach ihrer Recherche.

Recht so. Immerhin gibt die Sängerin auch eine Menge Kohle aus. Sieben erlesene Outfits vom französischen Mode-Avantgardist Jean-Paul Gaultier müssen es bei der musikalischen Gesellschaftskritik schon sein. Und die Kristalle auf der niedlichen Disco-Kugel haben auch schon 1,6 Millionen Euro gekostet. Dagegen sind Kartenpreise über 200 Euro eher ein Klacks. Ob sich bereits afrikanische Kinder für die enorme Hilfe bedankt haben, ist natürlich nicht in Erfahrung zu bringen. Bei Madonnas Abgang leuchtet noch der Schriftzug „Have You Confessed?“ Zum Ärgern zu blöd. PETER ORTMANN