FRAUKE BÖGERLEUCHTEN DER MENSCHHEIT
: Grauenhaft stoische Ostwestfalen

Das soll wohl so was sein“, hätte mein Opa Waddenhausen über dieses Buch gesagt. Das sagte er immer, wenn er etwas nicht einzuordnen wusste und es nicht den herkömmlich-lippischen Gepflogenheiten entsprach. Meist ging es dabei um Speisen. Oder um Kunstwerke, in denen die lippische Rose nicht zu sehen war. War es ein Ausspruch der Anerkennung oder der Verachtung? Vermutlich wusste er das selber nicht so genau. Auskunft gab er selten. Man muss ja nicht immer reden.

Jörg Sundermeiers „Heimatkunde Ostwestfalen“ (Verbrecher Verlag, 2010) entspricht mit seinem schlichten, braunen Einband und den 123 Seiten dem ostwestfälischen Gemüt, das nicht gern viel Aufhebens um sich oder andere macht. Opa Waddenhausen war Lipper und damit etwas „ganz Besonderes unter den ganzen Besonderheiten“ Ostwestfalens, wie Sundermeier schreibt. Schon der Name Ostwestfalen zeigt die konstruktivistische Leistung dieser Region, die in sich keine Einheit bildet und deren Metropole die graue Perle Bielefeld ist. Gut für Lippe, das zwar namentlich angehängt wird – OWL ist Ostwestfalen-Lippe –, deren Eingeborene sich aber ganz und gar nicht als Ostwestfalen fühlen.

Das Buch ist ein Genuss, es fasst herzhaft trocken die Highlights der Region zusammen und charakterisiert ihre Menschen, die immer, wenn sie ihre Heimat verlassen, ins Fremdeln verfallen. Aber nicht nur dann. Macht man zwei Ostwestfalen bei einem Grillabend miteinander bekannt und lässt sie für ein halbes Stündchen allein, verwundert es nicht, dass sie in der Zwischenzeit kein einziges Wort miteinander gewechselt haben. Man muss ja nicht immer reden.

„Das Wortkarge ist Ausdruck einer Mentalität“, schreibt Sundermeier und hat dafür eine versöhnende Erklärung: „Es ist Ausdruck eines sehr hart mit sich ins Gericht gehenden Egos.“ Aber das führt dazu, dass Ostwestfalen nicht gerade die größten Charmebolzen sind: „Aus dieser Selbstverhärtung leitet man wiederum das Recht ab, mit anderen hart umspringen zu dürfen.“ Opa Waddenhausen hätte auf jeden Fall Recht gehabt: Dieses Buch ist „so was“, also was ganz Besonderes.

Frauke Böger, geb. in Bielefeld und aufgewachsen in Lippe, ist Volontärin der taz