Ohne Industrie läuft auf Dauer gar nichts

Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei.PDS) und der schwäbische Grünen-Haushaltsexperte Oswald Metzger diskutieren im taz-Café über Wege aus der Krise Berlins. In vielen Punkten besteht Einigkeit zwischen beiden Politikern. Ein rot-rot-grüner Senat kommt für Metzger dennoch nicht in Frage

von GEREON ASMUTH

Berlin ist in der Krise. Rund 60 Milliarden Euro Schulden hat das Land zurzeit. Allein für Zinsen sind jährlich 2,5 Milliarden fällig. Die Arbeitslosigkeit liegt auf einem konstant hohen Niveau. Und in nahezu allen Rankings dümpelt die Stadt auf den hintersten Plätzen. Da scheint es erstaunlich, dass sich bis zum 17. September wieder allerhand Politiker darum prügeln, die Pleitestadt regieren zu dürfen. Berlin ist ein Sanierungsfall, hat auch der Verband Unternehmensgrün erkannt und am Donnerstagabend nach Wegen aus der Krise gefragt. Dazu hatten der Club der ökologisch und sozial orientierten Unternehmer zusammen mit der taz Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei.PDS) und Oswald Metzger, den finanzpolitischer Sprecher der Grünenfraktion in Baden-Württemberg, zur Diskussion ins taz-Café nach Kreuzberg geladen.

Der weitgereiste Metzger mühte sich zunächst, den lahmen Berliner Wahlkampf etwas anzuheizen. Auch wenn, das musste der Grüne offen zugeben, niemand die schlechte ökonomische Lage Berlins der PDS in die Schuhe schieben kann. Schließlich leidet die Stadt immer noch an den Folgen der Teilung, am harten Umbruch nach der Wiedervereinigung und an der Subventionsmentalität, die ein CDU-geführter Senat bis weit in die 90er-Jahre fortgesetzt hatte. Dessen „Wohnungsbauwahnsinn“, so Metzger, sei mit Schuld daran, dass „die Stadt so tief in der Scheiße sitzt“. Und deshalb sei Finanzsenator Thilo Sarrazin „ohne Einschränkung ein Gewinn für Berlin“. Schließlich habe der SPD-Politiker erstmals ökonomische Grundprinzipien in die Haushaltspolitik eingeführt.

Dann versuchte sich Metzger doch noch in einer Kritik an der rot-roten Koalition. Erst warf er ihr vor, die geplante Schließung des Flughafens Tempelhof sei falsch. Aber damit könnte er allenfalls seine Berliner Parteikollegen vergrätzen, die seit Jahren für eine Abwicklung des innerstädtischen Airports kämpfen. Dann bemängelte er, Berlin dürfe sich nicht nur als Tourismus- und Dienstleistungsmetropole verstehen. Denn ohne Industrie laufe auf Dauer gar nichts. Und schließlich prophezeite er, die Klage des Senats beim Bundesverfassungsgericht auf Entschuldunsghilfe werde zum „Rohrkrepierer“. Denn selbst wenn Berlin den Prozess gewänne, würden harte Auflagen drohen.

Harald Wolf konnte sich da gelassen zurücklehnen. Offenbar, so meinte der Wirtschaftssenator, müsse er nur seine Informationspolitik verbessern. Denn Metzger renne mit seiner Kritik offene Türen ein. Ihm sei bekannt, so Wolf, dass auch nach einem positiven Urteil in Karlsruhe „nicht Milch und Honig“ fließen würden. Auch dass Berlin ohne verarbeitendes Gewerbe nicht weiterkomme, sei eine Binsenweisheit. Schließlich gebe es nur dort die für einen wirtschaftlichen Aufschwung notwendige Wertschöpfung, die dann erst weitere Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor schaffe. Deshalb habe er vor zwei Jahren einen „Industriedialog“ mit Unternehmern und Gewerkschaftern ins Leben gerufen.

Auch Metzgers weitere Kritikansätze waren kaum von Erfolg gekrönt. Als er Wolf vorwarf, die BVG unnötigerweise vor Konkurrenz zu schützen, führte der Senator die hohen Personal- und Pensionskosten ins Feld, auf denen das Land auch sitzen bleibe, wenn die BVG keine Aufträge mehr bekäme. Als der Schwabe forderte, Lehrer nicht mehr zu verbeamten, konterte der Berliner, das sei längst Senatsbeschluss. Und als der Grüne betriebsbedingte Kündigungen im öffentlichen Dienst anregte, meinte der Sozialist, das könne man vielleicht in einer schwäbischen Kleinstadt mit nur fünf Prozent Arbeitslosigkeit machen, in Berlin aber seien die Arbeitsplätze nicht so einfach zu kompensieren.

Am Ende der zweistündigen Debatte war Metzger voll des Lobes für den Sozialisten. Wolf argumentiere, genau wie er selbst, völlig unideologisch. Nur bei der Frage nach künftigen Koalitionen in Berlin traute sich Metzger dann doch nicht aus dem ideologischen Graben. Eine eventuelle rot-rot-grüne Koalition sei ein fatales Signal für seine Partei, meinte Metzger. Denn ein Großteil der Grünen-Wähler käme nun mal aus dem bürgerlichen Milieu, „der Ökopartei drohe dann das Totenglöckchen zu läuten“. Wolf blieb auch in dieser Frage pragmatisch. Wenn es denn nicht anders ginge, werde man sich nach dem 17. September zusammensetzen.