Clubkultur statt Heringe

Ein alter DDR-Hochseefischer zieht statt Fischen die lokale Szene an Bord, um den frischen Fang digital zu konservieren. Noch zwei Wochen liegt die MS Stubnitz im Baakenhafen vor Anker

von JOHANNES HIMMELREICH

Eine steile Treppe hoch, durch schmale Gänge mit niedrigen Decken gelangt man auf die Brücke. Das Schiff riecht alt, nach Öl, altem Stoff und Metall. Auf der Brücke sitzt Urs Blaser, umgeben von Blätterstapeln, vor zwei Flachbildschirmen. Er ist der Chef auf der MS „Stubnitz“. Der ehemalige DDR-Fischtrawler ist ein mobiles Kulturzentum und hat jetzt, nach drei Jahren, wieder in Hamburg festgemacht.

Es geht nicht einfach um Kultur in einer kultigen alten Location, umweht von Ostalgie- und Schwerindustrie-Romantik: „Wir haben einen deutlichen Dokumentations-Schwerpunkt“, erklärt der Schweizer und bläst den Rauch seiner Zigarette durch die Nase aus. „Wir machen eine Momentaufnahme der Musik- und Kulturszene in den Städten.“ Dafür kommen die Künstler, die Bands, die DJs an Bord. Die Crew filmt sie und packt alles fertig gemastert auf DVD oder auch in einen Live-Stream, anschließend kommt es ins Archiv.

Rund 30 ehrenamtliche Crewmitglieder halten Kahn und Projekt über Wasser. Seinen Heimathafen hat das Schiff in Rostock. Die Stadt und das Land Mecklenburg-Vorpommen unterstützen es finanziell. „Die große Tour hatten wir vergangenes Jahr“, so Blaser, da hatte die „Stubnitz“ fünf verschiedene Stationen. In diesem Jahr sind es Kopenhagen, Hamburg und Amsterdam.

Wo vor nicht mal 15 Jahren der Fang sortiert und verarbeitet wurde, ist jetzt das Bar-Deck. Eine Discokugel hängt von der schwarzen Decke. Durch eine Öffnung kann man schauen, was sich ein Deck tiefer tut, in Laderaum 4. „Hier kamen früher die Fische rein und wurden eingefroren“, weiß Christian, einer von fünf Azubis auf dem Schiff, „jetzt ist hier unser Main-Floor.“ Im vorderen Schiffsteil, dem Back, ist der Laderaum 1 „besser für Techno-Sound geeignet“, so Christian. Er ist mit Leinwänden und gepolsterten Sitzbänken ausgestattet. Hier wird am Montagabend das Multimedia-Experiment „Trip“ des Versandhaus-Erben Frank Otto mit einer extra Live-Performance zu sehen sein. An den Wochenenden ist Clubbing angesagt, mit Waagenbau, Datscha, der Tanzhalle und der Astra-Stube.

Ein außergewöhnlicher Gast kam gestern Abend an Bord: Ein 2,2 Tonnen schwerer ehemaliger Schweiß-Roboter. „Das Letzte was er gemacht hat, war Gartenarbeit, ein Beet säen und so“, sagt sein Herrchen, der Künstler Ulf Freyhoff. Auf der „Stubnitz“ wird er bis nach Amsterdam als stählerner Passagier mitfahren und, mit Kameras ausgestattet, die Visuals auf dem Schiff unterstützen.

„Musik- und Performancekultur im weitesten Sinn“ finde Platz an Bord, sagt Blaser. Seit 14 Jahren ist er aktiv auf dem „ältesten Schiff unter deutscher Flagge“. Doch am Ziel sieht er sich noch nicht: „Das ganze Set-up ist noch nicht da, wo es hin soll, aber das erlebe ich noch“, sagt Blaser.

bis 3. September, Baakenhafen neben dem U-Boot 434. Programm unter www.stubnitz.com