Ein Allerweltsmann

Ein Körper aus Stahl taugt nicht mehr: Bryan Singers „Superman Returns“ setzt auf Werktreue, nur wird dabei deutlich, dass Supermans Superkräfte in der Hightechwelt von heute alltäglich sind

Der Action zum Trotz konzentriert sich „Superman Returns“ auf Emotionen wie Trauer, Reue und Melancholie

von BARBARA SCHWEIZERHOF

Superman ist zurück. Und das nicht zum ersten Mal, schließlich handelt es sich um einen der am häufigsten verfilmten Comicstoffe. Dem Regisseur von „Superman Returns“, Bryan Singer, scheint die mangelnde Einzigartigkeit dieser Rückkehr nur allzu bewusst zu sein, denn sein Superman gleicht in der Tat mehr einem Wiedergänger als einem Action-Helden. Wie ein nicht erlöster Geist, verdammt zur ewigen Wiederkehr, schwebt er großäugig-melancholisch durch den Film. Gespenstisch ist dabei nicht nur die Ähnlichkeit von Brandon Routh mit Christopher Reeve, sondern auch der Auftritt Marlon Brandos, der dank des wiederaufbereiteten Materials seiner Vaterrolle im ersten Superman-Film von 1978 als authentischer Wiedergänger zu sehen ist. Obwohl Routh jünger und teeniegerechter aussieht als Christopher Reeve damals, wirkt sein Superman müde. Der Wiederholung – Alles schon mal da gewesen, Alles schon mal gemacht – setzt er ein tapferes Lächeln entgegen. Dem Kritiker geht es ähnlich: Alles schon mal geschrieben: Superman, der uramerikanische Held, Superman, der fade Held, Superman, der altmodische Held.

Andererseits liegt gerade darin das Sympathische des Films: in der Treue zum Vorbild. Womöglich aber ist das der Grund für den – relativen – Misserfolg in den USA. Mit mehr als 185 Millionen allein auf dem amerikanischen Markt hat der Film zwar nicht gerade wenig Geld eingespielt, aber eben nicht genug, um mit „Da Vinci Code“ oder dem „Fluch der Karibik“ mitzuhalten. Das hatten sich die Produzenten anders vorgestellt – und haben mit der „Treue“ wohl auf das falsche Konzept gesetzt. Doch wäre ein aktualisierter Superman, der die Menschen von den brennenden Türmen des World Trade Centers herunterholt, wirklich besser angekommen? So verneigt sich der Film vor den „Geeks“, den pedantischen Sammlern von Fakten und Reliquien, den Hütern des Wahren und Guten. Das beginnt mit dem nicht enden wollenden Vorspann, der wie bereits 1978 mit den Namen der Darsteller jene 3D-Licht- und Klangspielerei macht, die man heute im Kino nur noch als Werbung für „Dolby Digital“ und „Agip“ kennt. Und setzt sich fort mit Szenen wie der, in der Lois Lane von Superman vom Rauchen abgehalten wird. Dem Kenner erschließt sich wahrscheinlich in jeder einzelnen Sequenz eine Verbindung zu vorherigen Filmen.

Ohne die Figur neu zu erfinden, zelebriert der Film das, was Superman immer schon konnte, nun mit visuell einwandfreier Technik. Zum Beispiel in der spektakulären Rettungsaktion, mit der Superman der Welt seine Rückkehr bekannt macht: Ein Flugzeug, Lois Lane sitzt natürlich drin, droht abzustürzen. Trotz abreißender Flügel und Motorenbrand bekommt Superman die trudelnde Maschine unter Kontrolle, um sie schließlich an der Nasenspitze haltend so sanft, wie nur er es kann, inmitten eines vollbesetzten Baseballstadions zu Boden gleiten zu lassen – wie ein Balletttänzer seine Partnerin. Oder auch die Szenen, die Superman auf Nachtwache zeigen: Er liegt in den oberen Luftschichten über der Erde, als wären sie ihm eine Wiege, und hört auf die Hilfeschreie unten. Und von besonderem Vergnügen sind die Szenen, in denen er sich an die Entdeckung der eigenen Kräfte erinnert: Alleine rennt er durch endlose Felder und macht plötzlich weite Sprünge – ungestüm und unbeschwert, wie man ihn nie mehr sehen wird.

Natürlich drückt sich der Film mit dieser Werktreue um die Beantwortung der Frage: Braucht die Welt noch einen Superman? Im Film schreibt Lois Lane ein Essay mit dem Titel „Warum die Welt Superman nicht braucht“, wofür sie doch tatsächlich den Pulitzer-Preis bekommen soll. Allerdings schafft sie es nicht zur Verleihung, und so erfahren wir nie etwas über ihre Argumentation. Wahrscheinlich, weil es sich von selbst versteht, dass die Welt ihn nicht braucht, es aber trotzdem schön ist, dass er da ist.

Die Frage hat seit „Superman IV“ vor 19 Jahren weiter an Relevanz gewonnen. Längst droht die Realität seine Superkräfte einzuholen: Überall mithören und durch alle Wände sehen zu können, stellt in der heutigen Welt mit Videoüberwachung und Handy-Ortung kein wirkliches Privileg mehr dar. Und was nutzt eigentlich noch ein Körper aus Stahl? Oder die Fähigkeit zu fliegen? Die Werktreue von Bryan Singers „Superman Returns“ bringt auch das deutlich an den Tag: Was für ein Allerweltsmann dieser Superman ist. Ob bei der Arbeit oder bei der Liebe – denn zeigt sich in dieser Lois-Lane-Geschichte nicht die typische männliche Bindungsangst und ist die Lösung, die er schlussendlich anbietet, „immer um sie herum zu sein“, nicht ein echter Männertraum? Traumwandlerisch, getragen feierlich ist denn auch das Tempo des Films. Trotz der ausführlichen Action-Sequenzen konzentriert er sich opernhaft auf Emotionen wie Trauer, Reue, Depression und Melancholie.

Einzig Lex Luthor stört zwischendurch den wohlfeilen Schmerz der Wiederholung. Allerdings wirkt auch der Superbösewicht inmitten der entfesselten digitalen Tricktechnik wie heruntergestuft auf Alltagsniveau. In seiner ersten Szene erschleicht er sich das Erbe der Lois-Lane-Darstellerin aus dem Superman-Film von 1948, danach residiert er hauptsächlich auf einem Schiff, das Howard Hughes hätte gehören können. Mit seinem weißen Mantel umgibt ihn ein Hauch Generalissimus, etwas Stalinbarockhaftes, aber Kevin Spacey verleiht seiner Figur eine ständige Eile und Ungeduld, die den Tyrannen nicht zur Geltung kommen lässt. Spaceys Luthor nimmt sich kaum die Zeit, seine teuflischen Pläne zu erläutern – oder auch zu Ende zu denken. Wie damals, 1978, will er „Land“ gewinnen. Doch wo Gene Hackman noch billiges Wüstenland östlich des Andreasgrabens aufkaufte und dann das Erdbeben auslösen wollte, holt sich Kevin Spacey ein bisschen Krypton und lässt es vor der Ostküste zu Neuland auskristallisieren. Da sitzt er dann mit seiner Gefolgschaft zwischen kaltem und ödem Gestein, das in Millionen Jahren nicht zu bebaubarem Land werden wird. Völlig fehl am Platz wirken sie in ihren schicken 30er-Jahre-Räuberklamotten und vertreiben sich die Zeit mit Kartenspielen. Da ist es gut, dass Superman bald zurückkommt.

„Superman Returns“, Regie: BryanSinger. Mit Brandon Routh, KateBosworth u. a., USA 2006, 154 Min.