Bis zum letzten Leibchen

In Bremen Hü, in Hannover Hott: Werder Bremen muss seinen Trikotsponsor „bwin“ mal verbergen und mal nicht. Aber so richtig schlimm findet der Wettanbieter das nicht: Bis zur juristischen Klärung hat er eine PR-trächtige Alternative gefunden

von Benno Schirrmeister

Dass Werder sich in Kleinkriegen verzetteln würde, kann man nicht behaupten. Klar hatte der Fußball-Bundesligist Einspruch erhoben als Niedersachsen seinen Trikot-Sponsor verboten hatte. Bei dem handelt es sich nämlich um einen privaten Sportwetten-Anbieter, und denen das Wasser abzugraben ist momentan ein breiter politischer Konsens. Aber nachdem das Verwaltungsgericht Hannover den Eilantrag gegen die Untersagungsverfügung abgelehnt hatte, ist man nicht weiter nach Lüneburg gezogen.

Dort hat das zuständige Oberverwaltungsgericht seinen Sitz. Und eine Beschwerde wäre zulässig gewesen. Aber statt das Verfahren weiter zu treiben, haben sich die Bremer vorläufig in die juristische Niederlage gefügt. „Sehr spät“ habe das Gericht seinen Beschluss vorgelegt, so Werder-Geschäftsführer Manfred Müller: Freitagnachmittag – da habe man keine Chance mehr gesehen, noch vor dem Spiel eine höher instanzliche Entscheidung zu erwirken. Außerdem „können wir nicht in jedem Bundesland denselben Rechtsstreit führen“.

Also sind die Bremer Fußballer mit einem leicht modifizierten T-Shirt-Aufdruck gegen den Hannoverschen Sportverein aufgelaufen: „We win“ steht auf den Leibchen. Das wiederum ist nicht verboten. Und es dürfte auch schwer fallen, es zu untersagen, obwohl es noch deutlich an das zu bewerbende Unternehmen erinnert: Das hieß früher bet and win, heute aber bwin. Und meistens wird der Name englisch ausgesprochen: biwin.

Eine Vertragsstrafe für den Fußballverein wird die Ersatzlösung nicht nach sich ziehen. „Das ist“, so bwin-Sprecher Hartmut Schultz, „in Absprache mit uns geschehen.“ Die Idee stamme vom zweiten höherklassigen Werbepartner, dem TSV 1860 München. Und nachdem die Löwen mit dem optimistischen Slogan den FC Bayern in der Vorbereitung demontiert hatten, habe der Alternativ-Aufdruck ja auch den Bremern Glück gebracht: Mit 4:2 hat Werder die Heimmannschaft im Auftakt-Match bezwungen.

An den ersten drei Punkten der Saison gibt es nichts zu rütteln. Das letzte Wort in der Leibchen-Frage allerdings ist noch lange nicht gesprochen. Denn einerseits wartet man in Bremen noch auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts: Zu Hause hatte der Club in der ersten Instanz gesiegt, so dass er bei der Heimpremiere am Samstag mit dem ursprünglich vorgesehenen Aufdruck auflaufen dürfte – anders als in der gerade einmal 100 Kilometer entfernten niedersächsischen Landeshauptstadt. Andererseits nehmen die Länder-Innenminister die Frage des Wettmonopols zum willkommenen Anlass für Muskelspielchen: Seit das Bundesverfassungsgericht Ende März erklärt hatte, dass dieses nicht vereinbar mit dem Grundgesetz ist, solange die staatlich veranstalteten Glücksspiele nicht hauptsächlich der Suchtprävention dienen, sind die Länderminister hektisch bemüht, den Privatanbietern den Garaus zu bereiten. „Der Druck der Politik ist groß“, so Müller. Dagegen bleibe nur die Hoffnung auf die Unabhängigkeit der Justiz.

Bei den Querelen ist besonders bwin ins Visier der Länder-Politiker geraten. „Weil wir die größten sind“, vermutet Schultz. Möglich, dass auch die offensivere Öffentlichkeitsarbeit eine Rolle spielt. Der in Neugersdorf bei Zittau angesiedelte Ableger eines österreichischen Unternehmens ist nämlich der einzige, der in größerem Umfang als Trikotsponsor von Profi-Mannschaften auftritt. Und während die anderen drei Wett-Anbieter mit Lizenzen aus den letzten Tagen der DDR bislang weitgehend unbehelligt geblieben sind, hat der Freistaat Sachsen dem Marktführer die historische Erlaubnis Knall auf Fall entzogen – nach 16 Jahren Geltung. Das Internet-Angebot des Unternehmens werde man mit technischen Mitteln unterbinden, tönte der sächsische Innen-Staatssekretär Jürgen Staupe – nebenbei Aufsichtsrat von Sachsenlotto – und verwies auf das Beispiel Italien, wo das schon Usus sei.

Wahr ist das allerdings nicht: Als Trikot-Sponsor des AC Mailand hat der Sportwettenanbieter eigenen Angaben zufolge „keinerlei Komplikationen“ erfahren. Und die einschlägigen Internet-Seiten bwin.com und bwin.it sind auch von Italien aus frei zugänglich. Die Sehnsucht nach europäischen Analogien ist allerdings verständlich: Brüssel bereitet schon ein Vertragsverletzungsverfahren in Sachen Wettmonopol gegen Deutschland vor. Dessen unmittelbarer Gegenstand seien die jüngsten Vorgänge zwar nicht, heißt es seitens der Generaldirektion Wettbewerb. Es dürfe aber davon ausgegangen werden, dass sie bei der Beweisaufnahme eine Rolle spielen. Das vom Monopolbefürworter Staupe gelobte Italien, das neben Ungarn, Finnland, Dänemark und Deutschland zu den beklagten Ländern gehören sollte hat aber noch vor der Eröffnung des Verfahrens mit einem neuen Wett-Gesetz reagiert: Vorgesehen ist eine kontrollierte Liberalisierung.