Der Präsidentenkanal

CHILE Der US-Konzern Time Warner übernimmt das Programm des Staatschefs. Die Sendelizenz liegt aber bei der Universidad de Chile

Ohne die Zustimmung der Universität ist eine Vertragsverlängerung für Chilevisión nicht möglich

AUS BUENOS AIRES JÜRGEN VOGT

Daran könnte sich Italiens Premier Silvio Berlusconi mal ein Beispiel nehmen: Chiles Staatspräsident Sebastián Piñera verkauft seinen TV-Sender Chilevisión. Allerdings nicht ganz freiwillig – schließlich hätte er ihn laut Verfassung der Republik nie haben dürfen.

Ein allzu schlechtes Geschäft scheint Piñera auch nicht zu machen: Nach Medienberichten hatte er den Sender 2005 lange vor seiner Präsidentschaft für rund 24 Millionen Dollar gekauft und kräftig ausgebaut. Nun bezahlt der US-Medienriese Time Warner für seinen Einstieg in den chilenischen Markt rund 140 bis 155 Millionen US-Dollar – für den quotenstärksten Kanal im Land.

Zwar muss der Kaufvertrag noch die staatlichen Genehmigungsverfahren durchlaufen. Aber das dürfte kaum Probleme bereiten, wenn der Verkäufer der Staatschef höchstpersönlich ist.

„Mit diesem Kauf wird unsere Firma erstmals als prominenter Wettbewerber auf dem Markt für offenes Fernsehen auftreten. Das wird unsere führende Position in Lateinamerika weiter verstärken“, sagte Louise Sams von Time Warners Südamerika-Tochter TBS Internacional, zum Deal. Denn Chilevisión sendet frei empfangbar und landesweit. In vielen Ländern Lateinamerikas ist Time Warner zwar präsent, die Programme wie der Nachrichtensender CNN und CNN Español sind aber nur per Kabel zu empfangen. Time Warner ist damit der zweite Ausländer, der sich in Chile im Free-TV-Markt einkauft. Der Kanal La Red ist bereits in den Händen eines mexikanischen Großunternehmens.

Dass nun ausländische Konzerne vermehrt in Chile einsteigen, ist für viele Medienschaffende in Lateinamerika denn auch die eigentliche Nachricht – und weniger, dass sich Piñera endlich von seinen Geschäftsverbindungen trennt. Der 60-jährige konservative Milliardär wurde Mitte März Präsident und hatte eigentlich versprochen, sich vor Amtsantritt von seinen diversen Beteiligungen zu trennen.

Zwar versicherte Piñera immer wieder, er werde dem nachkommen. Doch auch von seinem 26-Prozent-Anteil an der Fluglinie LAN Chile trennte er sich erst Wochen nach Amtsantritt.

Kaum war der Mediendeal perfekte, beeilte sich der Präsident, den Verkauf offiziell verkünden zu lassen. Schließlich haftete ihm vor allem international – weniger im Lande selbst – das Etikett eines chilenischen Berlusconi an.

Im Sender selbst scheint man die Nachricht gelassen aufzunehmen. „Wir sind davon überzeugt, dass uns als Teil einer weltweiten Firma eine neuer Abschnitt beim Wachstum und bei den Möglichkeiten für eine größere Entwicklung erwartet“, sagte Senderchef Jaime de Aguirre. Nach bisherigen Berichten soll die gesamte Führungsspitze bleiben. Nach Angaben von Chilevisión hat sich der Sender im Laufe des Jahres mit gut 10 Prozent Quote zum meistgesehenen Kanal in Chile gesteigert.

Auch unter der Bevölkerung wird der Einstieg eines ausländischen Medienmultis in den heimischen Markt kaum Protests auslösen. Nach dem verheerenden Erdbeben von Anfang März sind viele ChilenInnen noch immer mit den Folgen beschäftigt. Zudem hält das Zittern um die 33 verschütteten Bergleute das Land seit Tagen in gespannter Unruhe.

Das Thema Chilevisión bleibt dem Land jedoch erhalten. Denn die Lizenz für die Ausstrahlung per Antenne liegt bei der Universität Chile und ist nur bis 2018 an Chilevisión übertragen worden. Und ohne die Zustimmung der gelehrten Fakultäten der Universidad de Chile ist eine Vertragsverlängerung über das Datum hinaus nicht möglich.