An der Zapfsäule

Post aus Nahost (13): Wie Iman Humaidan Junis versucht, in Beirut ihr Auto zu betanken – ohne getötet zu werden

Einigermaßen sichere Gegenden in Beirut waren gestern Vormittag überfüllt. Überall Autos auf den Straßen, an denen es Tankstellen gibt. Je nachdem, auf welcher Seite die Tankstellen liegen, parken die Autos rechts oder links – eines nach dem anderen. Es dauert ein oder zwei Stunden für jeden Einzelnen, bis er an der Reihe ist und seinen Sprit bekommen kann. Deshalb parken viele Leute ihre Autos, gehen, beenden ihre Arbeit und kommen pünktlich zurück. Die jeweils zugeteilte Benzin-Ration ist auf 15 Liter begrenzt.

Heute, sehr früh morgens, wachte ich panisch auf: Israelische Kriegsschiffe, die die Hafenmündung blockieren, begannen Südbeirut kräftig zuzubomben. Gestern Nachmittag hatten Kampfflugzeuge zur Warnung Flugzettel abgeworfen – eine Taktik, die die israelische Armee benutzt, bevor sie Wohnbezirke heftig beschießt. Vielen Dank dafür, israelische Armee! Es brauchte 1.200 Opfer (bis jetzt), damit ihr begreift, dass es Zivilisten sind, die ihr gerade tötet.

Ich versuchte wieder zu schlafen, ich konnte nicht. Ich stellte mir die Bomben vor, die gerade über das Gebäude hinwegfliegen, in dem mein Appartement im siebten Stock ist. Sie rasen über meinen Kopf und schlagen in den drei bedrohten Nachbar-Wohngebieten ein. Dort ist es fünf Uhr früh, eine Zeit der Ruhe, des Tiefschlafs und kleiner Schreie neugeborener Babys. Wie viel Schreie werden durch diese Bomben erstickt, erstickt für immer? Das frage ich mich.

Beirut ist gespalten. Bomben fliegen über die Häuserdächer einiger Bezirke, um auf andere Gegenden zu fallen. Wieder unterteilt die Gewalt diese sehr kleine und überfüllte Stadt – eine Teilung, die sicher negative Auswirkungen haben wird, wenn die Bomben nicht mehr fallen und die Menschen Zeit haben werden, ihre Verluste zu zählen.

Mein Tag begann früh. Ich nahm mein Auto und parkte es in der langen Schlange vor der Tankstelle. Danach ging ich zu Fuß nach Hause zurück.

Iman Humaidan Junis (Beirut) schreibt im Wechsel mit Ron Kehrman (Haifa) aus dem Kriegsgebiet. Aus dem Englischen von Michael Zimmermann