Frischzellenkur für Bildungseinrichtungen

DEUTSCHLAND Bildungspolitik ist Ländersache. Manche Experten sehen diese Denkweise als überholt an. Auch Bildungsministerin Annette Schavan zeigt sich offen

Seit der Pisa-Studie puzzeln die Bundesländer an ihrem Flickenteppich herum. Bei der Lehrerbildung ist der Anschluss bereits verloren

BERLIN taz | Obamas Schulprogramm ist weit weg – dennoch erregt es selbst in Deutschland Ärger. „Bildung ist Ländersache. Deshalb halte ich auch nichts von der Idee eines Wettbewerbs der Länder um Gelder des Bundes für den Bildungsbereich“, sagte Baden-Württembergs Bildungsministerin Marion Schick (CDU) der taz. „Wir sind ja schließlich nicht auf dem Pausenhof, wo mancher meint, sich mit Geld Freundschaften erkaufen zu können.“

Kein Wunder, dass Schick das amerikanische Länderwettrennen um 4 Milliarden Bundesdollar falsch findet. Baden-Württemberg gehört zu den Gralshütern der Schulhoheit der Länder. Das stolze Land hat 2006 die Föderalismusreform mitinitiiert und damit dem Bund verboten, sich in Schulfragen einzumischen.

Viele sind dennoch offen für Wettbewerb um bessere Bildungssysteme. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) sagte der taz, dass sie „alle Bemühungen unterstützt, um unser Bildungssystem in Deutschland weiterzuentwickeln. Dabei können Anregungen aus anderen Ländern hilfreich sein.“ Eine Absage sieht anders aus. Obama bietet den Ländern jeweils hunderte Millionen Dollar, wenn sie die Zahl der failing schools senken und die der Abiturienten erhöhen.

Schavan unterstützte sogar den Vorschlag der nordrhein-westfälischen Bildungsministerin Sylvia Löhrmann, das Kooperationsverbot schleunigst aufzuheben – ein Affront gegen die Länder. Löhrmann ist Grüne.

Auch Bayerns Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) liebäugelt mit Obama: „Innovationen entwickeln sich auch im Bildungsbereich am besten im Wettbewerb“, sagte Heubisch der taz. Er verweist auf die Exzellenzinitiative für Eliteunis – und preist die „sehr produktive Wettbewerbsdynamik“.

Heubisch trifft den Kern des Problems. Seit der Pisa-Studie puzzeln die Bundesländer gütlich an ihrem Flickenteppich herum. Bei der Lehrerbildung etwa hat die Bundesrepublik so den Anschluss bereits verloren. Kein Vergleich zu dem Wind, den das Ganztagsschulprogramm des Bundes entfachte. Ähnlich wie Obama stellte Gerhard Schröder (SPD) 4 Milliarden Euro bereit, und die Länder bewarben sich fleißig um diese größte Bildungsinvestition in der Geschichte der Republik. Auch die Meckerziegen Bayern und Baden-Württemberg richten inzwischen Ganztagsschulen ein.

Stärkster Befürworter sind jene, die direkt im Politikfeld arbeiten – wie etwa die Geschäftsführerin der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, Heike Kahl. „Der Wettbewerb ‚Race to the Top‘ ist eine Rosskur für bessere Bildung und eine Abkehr von der Bildungshomöopathie“, sagte Kahl der taz. „Und die Bildungseinrichtungen brauchen eine Ross- und Frischzellenkur!“ Kahl ist für den Wettbewerb deshalb so offen, weil er es ermögliche, die Kräfte von Bund, Ländern und Zivilgesellschaft zu bündeln.

CHRISTIAN FÜLLER