Zehntausende sind auf der Flucht

Dramatische Lage im Nordosten Sri Lankas. Zwischen Regierungstruppen und tamilischen Rebellen dauern die schweren Kämpfe an. Norwegen vermittelt weiter

WIEN taz ■ Das Wasser fließt wieder auf die Felder der Reisbauern. Das ist die gute Nachricht. Dienstagnachmittag öffnete die tamilische Rebellenorganisation LTTE nach fast dreiwöchiger Sperre die Schleuse des Mavilaru-Stausees im Nordosten Sri Lankas.

Damit erfüllte sie ihr Versprechen gegenüber dem norwegischen Sondergesandten Jon Hanssen-Bauer und den Vermittlern der skandinavischen Monitoring Mission.

Auch Regierungssprecher Upali Rajapakse bestätigte gegenüber der Presse, dass die Bewässerungskanäle wieder Wasser führten. Allerdings stellte er diesen Erfolg als Ergebnis der „humanitären Aktion“ der Armee dar, die am Sonntag Besetzer und europäische Vermittler mit der Luftwaffe bombardiert hatte. 2.000 Mann Infanterie, die das stark verminte Gebiet auf dem Landweg erobern wollten, wurden nach Angaben der LTTE zurückgeschlagen.

Die schlechte Nachricht ist, dass täglich bewaffnete Zusammenstöße zwischen Armee und LTTE einen Massenexodus der Zivilbevölkerung ausgelöst haben. Hilfsorganisationen berichteten gestern, mittlerweile seien allein mehr als 30.000 Menschen in die Ortschaft Kantale geflohen, wodurch sich deren Einwohnerzahl verdoppelt habe. Angesichts fehlender sanitärer Anlagen drohten sich Krankheiten schnell zu verbreiten.

Die Ermordung von 17 Mitarbeitern der französischen NGO „Aktion gegen den Hunger“ harrt der Aufklärung. Das Konsortium der in Trincomalee tätigen internationalen NGOs richtete eine dringende Aufforderung an die Regierung, die Schuldigen auszuforschen und für die Sicherheit der humanitären Einsatzkräfte zu sorgen.

Die Regierung ist sehr schnell, wenn es um Schuldzuweisungen an die Tamil Tigers geht, doch werden die meisten politisch motivierten Verbrechen nicht einmal untersucht. Dienstag überlebte der tamilische Politiker Sankarapillai Sivathasan schwer verletzt ein Attentat in der Hauptstadt Colombo. Ein Angestellter und dessen dreijähriger Enkel starben. Der ehemalige Abgeordnete war lange Jahre Berater der tamilischen Partei EPDP, die der Regierungskoalition von Präsident Mahinda Rajapakse angehört. Für die LTTE ist die EPDP eine paramilitärische Organisation, die für die Armee Spitzeldienste im Osten leistet.

Hanssen-Bauer versucht seit Ende Juli die Konfliktparteien wieder an den Verhandlungstisch zu bringen. Derzeit kann er schon von Erfolg sprechen, wenn es gelingt, den offenen Krieg zu verhindern. RALF LEONHARD