PRESS-SCHLAG
: Geschmacksverstärker für alle

Erste Erkenntnis zum ersten Spieltag: Bundesliga ist nicht wie WM, Bundesliga ist nicht für jeden – und erst recht nicht für jede

Er wollte nur eins trinken. Pro Halbzeit. Und dann hat er sich doch überreden lassen. Happy Birthday, lieber Robert! Die anderen wussten ganz genau, dass er nicht Geburtstag hatte. Besungen haben sie ihn dennoch die ganze Zeit. Er war einfach fällig an diesem Tag. Drei Runden musste er schmeißen. Geschmacksverstärker. Jäger haben die meisten genommen. Oder Pfeffi wie er selber. Gewundert hat ihn das nicht, dass die anderen ihn heute drankriegen wollten. Happy Birthday! Er hätte einfach nicht sagen sollen, dass er gleich nach dem Abpfiff nach Hause muss, weil seine Frau sonst sauer wird. Dabei würde die gar nicht sauer werden. Die war eh nicht da. Er selbst wollte heute nicht schon am späten Nachmittag einen Rausch unter seinem Schopf spüren. Normalerweise klappte das ganz gut, wenn er seine Frau vorschob. Sauer würde seine Frau, wenn sie wüsste, dass er sie vorschob. Da war sich Robert sicher. Er würde auch nicht wollen, dass andere ihn für etwas halten, von dem er glaubt, dass er es gar nicht ist.

Bei der WM war das alles viel einfacher. Da hat er auch mal eine Radtour vorgeschlagen, wenn die Deutschen gespielt haben. Zu bestimmten Ausflugslokalen, von denen er wusste, dass man sich da für das Turnier einen Beamer angeschafft hatte. Der Thomas ist heute mit seiner Familie um den See gefahren. Das Spiel kann ich schon irgendwo sehen, hat er gesagt. Bei der WM wäre das gegangen. Aber das war eben WM. Da waren auch die Frauen dabei. Manchmal. WM ist irgendwie für alle. Bundesliga ist einfach nicht für jeden und für jede sowieso nicht.

Geh doch heim zu deiner Frau! Jetzt war der Rudi so frei und hat Robert einen Pfeffi bestellt. Der hat abgewunken. Er wollte wirklich keinen Rausch. Es war gerade einmal fünf. Spinnst du, hat er gesagt. Und der Rudi wäre beinahe sauer geworden. Dass er nichts dafür könne, wenn der Robert Probleme mit seiner Frau habe, hat er gesagt, und dass er sich fragt, ob der Robert sich mit seiner Alten überhaupt noch identifiziere. Und wenn nicht, dann sei es höchste Zeit zu wechseln. Das ist doch in Hoffenheim genau dasselbe, und jetzt geht der Carlos Eduardo eben nach Russland. Wir sind acht Jahre zusammen, hat darauf der Robert gemeint. So einfach ist das nicht.

Eben, hat dann der Rudi gesagt, das ist wie mit dem Demichelis und den Bayern. Robert wurde nachdenklich. Wechseln? Wohin denn? Dann fiel ihm ein, dass er seine Frau ja nur vorgeschoben hatte, dass sie ja gar nicht sauer werden könne, weil sie ja eh nicht da war. Prost, sagte er, irgendwie erleichtert, und kippte sich den Pfeffi hinter die Binde. Happy Birthday!

Die anderen sangen wieder, und Robert sah nach, ob sein Geld für eine weitere Runde Geschmacksverstärker reichen würde. Jetzt wurde wieder über Fußball geredet. Und alle waren sich einig: Typisch Bayern!

ANDREAS RÜTTENAUER