FACEBOOK, DIGITALER FUSSPILZ UND TOURETTE-PETITIONEN
: Seuchenzeit

MEIKE LAAFF

Facebook eine Seuche. Ein absolut einleuchtender Vergleich, dachte ich, als ich das erste Mal von dieser Studie las, umgeben von Erkältungswelleopfern, die mein Immunsystem mit ihren Viren bombardierten. Princeton-Doktoranden verglichen das soziale Netzwerk mit einer ansteckenden Krankheit – und nutzten ein Modell, das eigentlich die Verbreitung von Epidemien berechnet, um zu verstehen, wie Facebook sich auf dem Planeten ausbreitet. Ihre Prognose: 2017 wäre das soziale Netzwerk endlich eingedämmt – rund 80 Prozent seiner heutigen Nutzer hätte es bis dahin verloren.

Großartig wäre das, wenn alle meine Freunde bis in spätestens drei Jahren ihr Facebook endlich auskuriert hätten. Wenn das soziale Netzwerk ihnen nicht mehr an den Hacken kleben würde wie digitaler Fußpilz: Nichts, worüber man gerne redet – aber hat man es sich einmal eingefangen, wird man es so schnell auch nicht mehr los. Wenn sie nicht mehr abends betrunken herumjammern müssten, wie blöd es sich anfühlt, wenn keiner auf ihre Posts reagiert. Oder wie sehr es sie ärgert, dass es immer die anderen sind, die die Fotos von den schillernsten Parties und den exotischsten Fernreisen haben.

Grandios, wenn endlich Schluss wäre mit diesen Pseudo-Erregungswellen auf Facebook. Die Nummer mit der getöteten Zoo-Giraffe im Löwenfutter zum Beispiel. Kaum passiert, schon fanden sich 28.000 Unterstützer für die Facebook-Seite „Close Copenhagen Zoo“. Bis 2017 könnte dem Löwenanteil dieser 28.000 aufgefallen sein, dass der Kopenhagener Zoo nicht reumütig dicht machen wird, nur weil sie und ein paar andere Hempel ein Mal den Zeigefinger krumm gemacht haben, um eine Facebook-Seite zu liken. Und dass sie mit ihrer Unterstützung höchstens das Bonmot von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg bestätigen, laut dem tote Eichhörnchen im Garten für Facebook-Nutzer eben relevanter sein können als tote Menschen in Afrika. Hübscher Nebeneffekt: Je weniger Mitklicker solche Tourette-Petitionen bekommen, desto schneller verschwinden derartige Nicht-Nachrichten aus den Medien. Hoffentlich.

Dann wäre endlich auch absehbar, wie häufig ich noch die Frage beantworten muss, was denn das neue große Ding nach Facebook wird. Nur um zu sehen, dass auch all diese Snapchats und What’sApps und Instagrams nur in kurzen Ansteckungswellen durchs Netz schwirren – bevor sie sozial jämmerlich ausbluten.

Noch besser: Vielleicht ließen sich auch hoch infektiöse digitale Meta-Trends eindämmen. Das Überwachungsfieber aus den NSA-Labors zum Beispiel. Oder dieser Logikschnupfen, das Inter aus dem Netz zu nehmen und künftig auch in Demokratien Datenpakete in den Landesgrenzen zu halten. Iranische Verhältnisse. Schlandnetze.

Montag Barbara Dribbusch Später

Dienstag Jacinta Nandi Die gute Ausländerin

Donnerstag Margarete Stokowski Luft und Liebe

Montag Josef Winkler Wortklauberei

Dienstag Deniz Yücel Besser

Aber ach. Natürlich hinken all diese Vergleiche auf allen drei Beinen. Und leider hat sich beim Weiterlesen schnell herausgestellt, dass diese Princeton-Studie über Facebook nicht besonders viel taugt. Weil sie auf Daten darüber basiert, wie häufig Menschen bei Google nach Facebook gesucht haben – was aussagekräftig ist, wenn heute jeder Zweite auf Facebook per Mobilgerät und App zugreift. Aber man wird doch noch träumen dürfen – von Selbstheilungskräften, Impfungen und Problemen, die sich mit der Zeit ganz von selbst erledigen. Wie ein Winterschnupfen.