Kampfansage an Moody’s, Fitch & Co

MÄRKTE Die Versicherer Hermes und Coface wollen den großen Ratingagenturen Konkurrenz machen

Sarkozy hatte dazu aufgefordert, das Ami-Oberlehrer- Oligopol zu knacken

HAMBURG taz | Ratingagenturen stehen ohnehin politisch am Pranger. Sie gelten als mitverantwortlich für die große Finanzkrise 2007–2009. Nun gibt es zudem auch noch wirtschaftlich Druck: Versicherer wollen ihnen Konkurrenz machen. Die Kreditversicherer Hermes und Coface, Paris, haben eine Zulassung als Ratingagentur beim Ausschuss der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden beantragt.

Hermes betreut jeden zweiten Großkonzern

Bislang sichern Hermes und Coface vor allem Unternehmen gegen zahlungsunwillige Kunden ab. Der Pariser Kreditversicherer betreut laut Firmenangaben weltweit jeden zweiten Großkonzern in. An Know-how, so der Branchendienst Versicherungsjournal, mangelt es also nicht.

Der deutsch-französische Kreditversicherer Euler-Hermes hat erst mal nur für Deutschland eine Zulassung beantragt. „Der Markt öffnet sich“, sagt ein Sprecher, „was sich daraus entwickelt, kann noch keiner sagen.“ Auch dies eine Kampfansage an Fitch, Moody’s und Standard & Poor’s, die sich bislang den milliardenschweren Ratingkuchen teilten.

Coface sieht sich durchaus im Einvernehmen mit Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy. Das Coface-Anliegen „decke sich mit den Vorstellungen der französischen Regierungsseite“, bestätigt der Konzernsprecher auf Anfrage. Sarkozy hatte wiederholt dazu aufgefordert, das weltweite Oligopol der Ami-Oberlehrer zu knacken.

„Das Problem bleibt dasselbe, nur mit ein wenig mehr Wettbewerb“, warnt Werner Rügemer vor zu großen Erwartungen. Der Sachbuchautor für die Initiative Lobby Control arbeitet an einer Studie über Ratingagenturen. Den „Hauptpunkt“ sieht der Experte in dem Kriterienkatalog, den Ratingagenturen anlegen, wenn sie etwa die Zahlungsfähigkeit eines Staates taxieren. „Sie haben nicht die ganze Volkswirtschaft im Blick, sondern nur die Rückzahlungsfähigkeit zugunsten der Kreditgeber.“ Das habe schon manches Entwicklungsland unnötig in den Ruin getrieben.

Öffentliche EU-Agentur vom Tisch

Ob es bei der privaten Konkurrenz bleibt, hängt maßgeblich von der Politik ab. Die EU-Kommission hatte bis zur großen Krise überhaupt keinen Handlungsbedarf gesehen. 2009 verabschiedete die EU-Kommission dann eine Verordnung, die „Integrität“ und Transparenz sichern soll. Der grüne Europa-Abgeordnete Sven Giegold hält die Verordnung „für einen ganz entscheidenden Schritt“. Seither müssen sich Rater registrieren lassen, Interessenkonflikte und Kriterien werden deutlicher. Was bleibt, so Giegold, ist das Grundproblem: Die Rater werden sich auch weiterhin von den Gerateten bezahlen lassen. Diesen Interessenkonflikt will die neue Konkurrenz vermeiden. Blechen soll der Kunde, der Ratings über Geschäftspartner sucht.

Die Gründung einer öffentlichen Ratingagentur, die viele Politiker, Wissenschaftler und Notenbanker fordern, könnte durch die Coface-Hermes-Offensive erst einmal vom Tisch sein. Aber die EU-Kommission will immerhin erstmals eine Direktaufsicht durch eine EU-Behörde einführen. Die neue Behörde für Wertpapieraufsicht soll bis zum Jahresende gegründet werden und ihren Sitz in Paris haben. HERMANNUS PFEIFFER