„Das Orchester ist das schönste Instrument“

EMANZIPATION Sie war eine der ersten Dirigentinnen in Polen und gründete bereits in den 60er Jahren ihr eigenes Kammerorchester. Jetzt ist Agnieszka Duczmal beim Schleswig-Holstein Musikfestival zu Gast

■ ist eine international gefragte Gastdirigentin und hat als erste Frau das Orchester der Mailänder Scala geleitet.Foto: Promo

taz: Frau Duczmal, wann haben Sie beschlossen, Dirigentin zu werden?

Agnieszka Duczmal: Als Achtjährige. Da saß ich mit meinem Vater, der selbst Dirigent war, in Richard Strauss’ Oper „Till Eulenspiegel“. Während des Stücks hat mir mein Vater so plastisch dessen Inhalt erzählt, dass ich intuitiv begriff: Das Orchester ist das schönste aller Instrumente, und das will ich spielen.

War es im Polen der 60er Jahre schwierig für eine Frau, Dirigentin zu werden?

Nein. Ich habe niemanden getroffen, der mir abgeraten hätte. Trotzdem war ich im Poznaner Studiengang die einzige Frau; nur in Warschau gab es zwei weitere. Und ich wusste immer, dass ich doppelt so kritisch beäugt wurde wie die Männer. In Deutschland war das allerdings noch ausgeprägter. Wenn ich dort in den 70ern auftrat oder Kurse besuchte, war ich als hauptberufliche Dirigentin mit Familie immer ein echter Paradiesvogel.

Warum haben Sie 1968 ein Kammerorchester gegründet – und kein Sinfonieorchester?

Weil es mehr Spielräume bietet. Das betrifft nicht nur die Interpretation, sondern ich kann auch intensiver mit den Musikern arbeiten und das Programm auf deren Fähigkeiten abstimmen. Letztlich ist ein Kammerorchester eine zweite Familie.

Sie sind mit dem Kontrabassisten Ihres Orchesters verheiratet. War es je ein Problem, dass Sie seine Chefin sind?

Nein. Er akzeptiert, dass ich manche Dinge besser weiß, und er liebt mich ja auch dafür, dass ich eine gute Dirigentin bin. Und mir hilft es zu wissen, dass er da hinten sitzt und mich auch mental unterstützt. Das funktioniert jetzt seit 38 Jahren.

Ihr Repertoire reicht vom Barock bis in die Moderne. Was halten Sie eigentlich von der historischen Aufführungspraxis?

Ich halte wenig davon, auf modernen Instrumenten zu imitieren, wie es auf alten Instrumenten geklungen haben mag. Man sollte die technischen Neuerungen nutzen. Wenn man Bach auf modernen Instrumenten spielt, bekommt man einen volleren Klang. Und wenn Bach noch lebte, wäre er bestimmt sehr glücklich darüber, dass ein solcher Klang möglich ist. Denn die Darmsaiten der damaligen Streichinstrumente klangen leiser und dumpfer als die heutigen Pferdesaiten. Und wir fahren ja auch nicht mehr im Mercedes von 1959 herum. INTERVIEW: PS

Agnieszka Duczmal und ihr Kammerorchester mit der Mezzosopranistin Ewa Podles: Samstag, 20 Uhr, Meldorf, Dom